Ärzteschaft

Suizidrisiko während der Coronapandemie bei schwer psychisch Erkrankten deutlich gestiegen

  • Dienstag, 5. Dezember 2023
/Seventyfour, stock.adobe.com
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Berlin – Einschränkungen wegen der Coronapandemie waren für Patientinnen und Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen besonders gravierend, insbesondere bei der stationären Versorgung. So ist das Suizidrisiko in der Pandemie um 27,4 Prozent im Vergleich zum Kontrollzeitraum gestiegen.

Das sind zentrale Ergebnisse des vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) geförderten Forschungsprojekts „CovPsych: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Versorgung von Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen“. Verantwortlich für die Studie ist das Zentrum für Psychosoziale Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Die Wissenschaftler erfassten die Versicherten auf Grundlage von dokumentierten ICD-10-Diagnosen. Es wurden alle Versicherten mit einer Schizophrenie (ICD-10: F20.x), schizoaffektiven Störung (F25.x), bipolaren Störung (F31.x), schweren Depression (F32.2, F32.3, F33.2 oder F33.3) oder einer Persönlichkeitsstörung (F60.x) ausgewählt. Für die Pandemiekohorte sind Versicherte berücksichtigt worden, die eine Diagnose für eine schwere psychische Erkrankung zwischen dem 1. Oktober 2019 und dem 29. Februar 2020 erhalten haben.

Für die Kontrollkohorte mussten die entsprechenden Diagnosen zwischen dem 1. Oktober 2018 und dem 28. Februar 2019 dokumentiert worden sein. Berücksichtigt wurden Versicherte mit teil- und vollstationären Hauptdiagnosen, Diagnosen aus Hochschulambulanzen, aus psychiatrischen Institutsambulanzen und von niedergelassenen Psychiatern, Psychotherapeuten und Nervenheilkundlern sowie von weiteren niedergelassenen Fachärzten.

Die Untersuchung zeigt, dass die Inanspruchnahme der psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken während der Pandemie in allen Kalendermonaten niedriger war als im Monat des Vorjahres. Zudem war der Rückgang während des ersten Lockdowns (März bis Mai 2020) und während der zweiten Lockdowns (Dezember 2020 bis Februar 2021) besonders stark ausgeprägt. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich für die Tageskliniken.

Für die Behandlungsminuten durch niedergelassene Psychiaterinnen und Psychiater zeigte sich eine deutlich reduzierte Inanspruchnahme zum Beginn der Pandemie im April und Mai 2020. Im Gegensatz zur Entwicklung in den Tageskliniken und den vollstationären Einrichtungen waren jedoch deutlich geringere Unterschiede zwischen den Kohorten während des zweiten Lockdowns zu erkennen. Zudem ließen sich Nachholeffekte im Juni und September 2020 beobachten, sodass die Einschränkungen in der ambulanten Versorgung insgesamt deutlich geringer waren als im voll- und teilstationären Bereich.

„Psychiatrische und psychosomatische Kliniken und Tageskliniken hatten während der Pandemie Schwierigkeiten die Routineversorgung aufrechtzuerhalten, während sich niedergelassene Psychiater und Psychotherapeuten wesentlich schneller an die neue Situation anpassen konnten“, schreibt die Hamburger Arbeitsgruppe in ihrem Fazit. Die deutlich geringere Einschränkung der ambulanten Versorgung hing vermutlich mit dem schnellen und breiten Einsatz von digitalen und telemedizinischen Angeboten zusammen, so die Wissenschaftler.

hil

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