Synthetische Opioide und Crack werden zunehmend zum Problem

Berlin – Der 12. Alternative Drogen- und Suchtbericht wurde heute in einem Showroom für ein Cannabis-Fachgeschäft in Berlin vorgestellt – mit leeren Verpackungen. Der Ort der Pressekonferenz sei „ein Beispiel für verhinderte Lösungen“, sagte Heino Stöver, Vorsitzender des Bundesverbands Akzept, der zusammen mit der Deutschen Aidshilfe und dem Selbsthilfenetzwerk JES den Bericht im 12. Jahr herausgibt.
„Wer den Schwarzmarkt wirklich zurückdrängen will, muss legale, kontrollierte und attraktive Zugänge schaffen – so, wie es andere Länder, zum Beispiel die Schweiz, längst erfolgreich vormachen“, erklärte Stöver. Statt über wissenschaftlich fundierte Modellprojekte weitere Erkenntnisse zu gewinnen, „wird auf politische Symbolik gesetzt“, kritisierte der Suchtforscher. Anträge für Modellprojekte lizensierter Cannabis-Fachgeschäfte seien von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) abgelehnt worden.
Viele Gelegenheitskonsumenten versorgen sich nach Angaben von Stöver deshalb weiterhin auf dem Schwarzmarkt, weil die Hürden für den gesetzlich legitimierten Eigenanbau von Cannabis beziehungsweise für den Zugang zu Cannabis-Social-Clubs zu hoch für sie seien. „Auf dem Schwarzmarkt wissen sie weder, wie hoch der THC-Gehalt ihres Produkts ist, noch ob es mit synthetischen Cannabinoiden oder anderen Stoffen verunreinigt wurde“, sagte der akzept-Vorstandvorsitzende.
Vor der Verbreitung von synthetischen Opioiden wie Fentanyl und Nitazenen warnte Maria Kuban, Leiterin des kommunalen Projektes „so par“ („synthetic opioids – prepare and response, Synthetische Opioide – Vorbereitung und Reaktion) der Deutschen Aidshilfe, das der Vorbereitung von Städten auf synthetische Opioide dient.
„Synthetische Opioide sind für den Schwarzmarkt sehr attraktiv, weil sie kostengünstig herzustellen sind“, sagte Kuban. Durch die Verknappung von Heroin auf dem Markt, stiegen die Zahlen an. „Wir müssen vor die Welle kommen, die Konsumenten aufklären und warnen“, sagte sie. Das Projekt „so par“ könne dazu beitragen.
Mit den drei teilnehmenden Projektstädten Berlin, Essen und Hannover wurden Notfallpläne entwickelt, die in bestimmten Szenarien greifen, erläuterte Kuban. Dabei werden demnach in jeweils einem Drogenkonsumraum der Stadt für Heroinkonsumenten Fentanyl- und Nitazen-Schnelltests angeboten, um gefährliche Beimengungen zu erkennen.
Wichtig findet sie auch Warnungen für Konsumierende im öffentlichen Raum, wie es sie beispielsweise in Irland gibt. In Dublin werde an Szeneorten im öffentlichen Straßenleitsystem vor extremer Überdosierung gewarnt. „Vergleichbares sollte auch in Deutschland möglich sein, sagte Kuban.
Der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin (DGS), Maurice Cabanis, wies auf die Probleme bei der Substitutionsbehandlung von Opioidabhängigen hin. Die betroffenen Patientinnen und Patienten müssten teils 50 bis 100 Kilometer fahren, um einen Arzt zu erreichen, der Substitutionsbehandlung anbietet.
„Bei einem Durchschnittsalter von 62 Jahren stehen viele dieser Suchtmediziner kurz vor der Rente, ein Versorgungsmangel ist programmiert“, sagte der Ärztliche Direktor der Klinik für Suchtmedizin und Abhängiges Verhalten am Klinikum Stuttgart, Zentrum für Seelische Gesundheit.
Die DGS versuche deshalb verstärkt, junge Ärzte für die suchttherapeutische Arbeit zu motivieren, die sich unter anderem in der „junge Suchtmedizin – Begeistert für Suchtmedizin“ organisieren und vernetzen können.
Grundsätzlich sieht Cabanis aber auch die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Pflicht, sich mehr um die Versorgung von opioidabhängigen Menschen zu kümmern. Und auch Ambulanzen psychiatrischer Kliniken sollten seiner Ansicht nach Substitutionsbehandlung anbieten.
Von Substitutionsbehandlung profitieren könnten darüber hinaus Crack-abhängige Menschen, erklärte Nina Pritszens, Geschäftsführerin von vista gGmbH, einem Träger der Suchthilfe in Berlin. „Crack-konsumierende Menschen sind häufig psychisch krank, wohnungslos und konsumieren polyvalent, auch Heroin“, sagte sie. Sie hätten aber weder Zugang zur Behandlung, noch zur Substitution und auch die Suchthilfeeinrichtungen seien kaum auf sie vorbereitet.
Drogenkonsumräume müssten für diese spezielle Klientel zugänglicher gemacht werden, mit längeren Öffnungszeiten, Schlafplätzen und der Möglichkeit zum Kleinkonsum nach dem Züricher Modell, regte Pritszens an. In der Pflicht sieht sie auch die Sozialpsychiatrie und die Kommunen, um der Verelendung von Crackabhängigen im öffentlichen Raum zu begegnen.
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