Telematikinfrastruktur: Spahn sichert Aussetzung von Fristen zu, wenn unverschuldet nicht zu halten

Berlin – Wo sanktionsbewehrte Fristen für die zeitnah vorgesehene Einführung von Anwendungen der Telematikinfrastruktur (TI) objektiv und von der Ärzteschaft unverschuldet nicht zu halten sind, wird man diese aussetzen. Dies sicherte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Ärzten heute im Rahmen eines Gespräches mit dem Präsidenten der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, anlässlich der Eröffnung des 124. Deutschen Ärztetages zu.
Reinhardt hatte zuvor gesagt, die Ärzteschaft nehme durchaus die Chancen einer gelungenen Digitalisierung wahr. Allerdings müssten auch die Details sinnvoll geregelt werden. Aktuell bestehe das Hauptproblem in den gesetzlich festgelegten Fristen, welche kaum zu halten seien und deshalb ausgesetzt werden müssten.
Bundesgesundheitsminister Spahn appellierte an die Ärzteschaft, sich möglichst schnell um einen elektronischen Heilberufsausweis (eHBA) zu bemühen. Aktuell würden weniger eHBA bei den Vertrauensanbietern bestellt, als es die zur Verfügung stehende Kapazität erlaube. Er erinnerte daran, dass der eHBA für viele der kommenden TI-Anwendungen eine zwingende Voraussetzung sei.
Bezüglich der für Anfang Juni geplanten flächendeckenden Implementierung der elektronischen Patientenakte (ePA) wollte Spahn „keine Garantie“ abgeben, dass die ePA in allen Arztpraxen wirklich genutzt beziehungsweise gepflegt werden könne.
Zwar hätten die Krankenkassen ihren Teil geleistet und die ePA den Patienten zum Jahresbeginn zur Verfügung gestellt. Nun seien aber die Hersteller der Praxisverwaltungssysteme (PVS) gefragt.
Hier scheine es Verzögerungen bei den nötigen Anpassungen der Softwarelösungen in den Arztpraxen zu geben. Sollte dies künftig bei weiteren Prozessanpassungen erneut der Fall sein, könne man diese Problematik gegebenenfalls „gesetzlich aufbohren“ – so Spahn in Richtung der PVS-Hersteller.
Darüber hinaus diskutierten Reinhardt und Spahn über den Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft. Schon in ihren Reden hatten beide betont, dass die Krankenhäuser die Kooperationen, die sie während der Coronapandemie intensiviert und begonnen haben, auch nach der Pandemie fortsetzen sollten.
Reinhardt kritisierte, dass die Bundesländer in den vergangenen 20 Jahren die Krankenhäuser sich selbst überlassen und keine wirkliche Krankenhausplanung vorgenommen hätten. Der Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern habe dabei nicht zu einer vernünftigen Allokation der von den Häusern angebotenen Leistungen geführt.
Das Hauptargument für einen Abbau von Krankenhausstrukturen in überversorgten Regionen müsse die Qualität der Versorgung sein, meinte Spahn. Man müsse den Patienten in den Regionen erklären, dass zum Beispiel bei einer Prostataoperation das Risiko für eine Inkontinenz in einem Krankenhaus um 50 Prozent reduziert sei, in dem dieser Eingriff häufig durchgeführt werde. Dann gebe es vielleicht weniger Widerstand gegen Krankenhausschließungen.
Einer Reform des diagnosebezogenen Fallpauschalensystems, bei der Krankenhäusern ihre Vorhaltekosten bezahlt werden, erteilte Spahn in der aktuellen Krankenhauslandschaft eine Absage. „Ich höre oft, die Polizei und die Feuerwehr werden ja auch nicht nach Einsätzen bezahlt“, sagte der Minister. „Das stimmt. Aber bei der Polizei und der Feuerwehr gibt es auch eine Bedarfsplanung. Die gibt es bei Krankenhäusern nur ansatzweise.“
Wenn es eine bedarfsgerechte Versorgungsstruktur gäbe, könne man auch über ein Bezahlen der Vorhaltekosten reden. „Solange dies nicht der Fall ist, kann man aber nicht einfach die Kosten bezahlen, die in den Krankenhäusern entstehen“, meinte Spahn. Ein entsprechender Umbau der Krankenhausstruktur sei allerdings eine „Jahrzehntdebatte“.
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