Telematikinfrastruktur: Unsachgemäße Installation, keine fehlerhafte Technik

Berlin – Einzelne Berichte über angebliche Sicherheitsmängel bei der Anbindung von Arztpraxen an die Telematikinfrastruktur (TI) schüren derzeit Verunsicherung bei vielen Ärzten. Doch das Problem liegt nicht bei der Technik selbst, sondern den Installateuren. Die gematik – Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte will auf die IT-Dienstleister zugehen, wie sie dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ) sagte.
Wie die gematik weiter betonte, verfügt sie über keine verbindlichen Zahlen, die sich auf Unsicherheiten beim TI-Anschluss von Praxen durch Dienstleister vor Ort beziehen. Daher seien keine validen Aussagen zu den in den Medien dargestellten Einzelfällen möglich.
Unter anderem hatte ein Systemadministrator bei der Betreuung einer Zahnarztpraxis festgestellt, dass die TI-Techniker bei der Installation der TI-Komponenten die Firewall und den Virenschutz der Praxis abgeschaltet hatten, sodass die Praxis ohne jede Absicherung vor Hackerangriffen aus dem Internet war. Ihm zufolge ist dies kein Einzelfall, sondern betrifft vor allem größere Praxen, die ihren TI-Konnektor im Parallelbetrieb ins lokale Netzwerk der Praxis integriert haben und die zusätzliche Internetdienste nutzen.
Bis zum 30. Juni müssen sich die Arztpraxen an das Hochsicherheitsnetz anschließen, daher läuft gerade die heiße Phase der Installationen vor dem Stichtag. Die IT-Servicetechniker arbeiten unter Hochdruck, um die TI-Anschlüsse fristgerecht fertigzustellen.
Sicherheitskomponente Konnektor
Der Konnektor ist für die sichere Anbindung der Praxen an die TI die zentrale Komponente. Dabei schützt er in beide Richtungen: die Telematikinfrastruktur vor potenzieller Schadsoftware aus den Praxen und die Praxen vor potenziellen Angriffen aus der TI. Er stellt dafür ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) zur TI her, in dem elektronische Anwendungen unter Einsatz von Verschlüsselungstechnologien völlig abgeschirmt vom allgemeinen Internet genutzt werden können.
Der Konnektor wird dabei mit den stationären Kartenlesegeräten der Praxis und der Arztsoftware verbunden. Je nachdem, wie er in das Netzwerk der Praxis integriert ist, ergeben sich Unterschiede bei den verfügbaren Diensten und bei der Sicherheit. Darauf weist die für die TI verantwortliche gematik in einem Informationsblatt hin. Grundsätzlich lässt sich der Konnektor danach sowohl im Reihen- als auch im Parallelbetrieb installieren.
Reihen- und Parallelbetrieb gleichermaßen möglich
Im „Reihenbetrieb“ befinden sich alle Komponenten im selben lokalen Netzwerk (LAN) und erhalten über den Konnektor Zugang zur TI. Durch die integrierte Firewall des Konnektors und den optionalen sicheren Internetzugang wird das Netzwerk vor unberechtigten Zugriffen von außen geschützt.
Ein „Parallelbetrieb“ liegt dagegen vor, wenn Praxen bereits ein größeres lokales Netzwerk eingerichtet haben, das über entsprechende Sicherheitsfunktionen nach den Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik verfügt und beibehalten werde soll, etwa für die Anbindung von Heimarbeitsplätzen.
In diesem Fall wird der Konnektor genutzt, um die TI und ihre Dienste zu erreichen, wohingegen die restlichen Komponenten im Netz – wie vor der TI-Anbindung – über einen herkömmlichen Router an das Internet angeschlossen werden. Im Informationsblatt der gematik heißt es: „Wichtig: Im Parallelbetrieb ist keine Komponente des LAN durch den Konnektor vor unautorisierten Zugriffen geschützt. Ohne zusätzliche Sicherungsmaßnahmen haben alle Komponenten im LAN Zugriff aufeinander (…). Außerdem besteht kein Schutz vor Angriffen aus dem Internet.“
Sache der IT-Dienstleister vor Ort
Die gematik verweist gegenüber dem DÄ darauf, dass Ausstattung und Anschluss der medizinischen Einrichtungen gemäß den Vorgaben des Gesetzes durch die Hersteller beziehungsweise Anbieter der Konnektoren oder durch die IT-Dienstleister erfolgen.
„Die Dienstleister-vor-Ort (DVO) unterstützen den Leistungserbringer in allen Belangen hinsichtlich der Telematikinfrastruktur. Ihr Verantwortungsbereich wird durch einen individuell ausgehandelten Vertrag zwischen dem DVO und dem Leistungserbringer (Anwender) geregelt, an dem die gematik nicht beteiligt ist. Ansprechpartner bei Fragen der Ärzte, Zahnärzte oder Psychotherapeuten zur Umsetzung ist ihr jeweils vertraglich gebundener IT-Dienstleister.“
Wie kann nun ein Arzt prüfen, ob der TI-Anschluss in seiner Praxis ordnungsgemäß ist? Laut gematik kann der Arzt dies bei der Reihenschaltung selbst sehen und somit überprüfen. Bei der parallelen Schaltung sei hingegen die Aussage eines Technikers notwendig.
Die gematik beobachte alle Vorgänge rund um die TI sehr genau und nehme die Vorfälle „sehr ernst“. Sie unterstütze die beteiligten Anbieter beziehungsweise Hersteller bei der jeweiligen Analyse, Auf- und Nachbereitung von Ereignissen. „Die gematik wird noch einmal auf die Konnektorhersteller zugehen und sie darauf hinweisen, dass eine Parallelschaltung nur unter bestimmten Voraussetzungen den sicherheitstechnischen Anforderungen genügt“, hieß es.
Prüfung angekündigt
Aus Sicht der Compugroup Medical (CGM), die nach eigenen Angaben inzwischen mehr als 60.000 TI-Installationen durchgeführt hat, basiert die Diskussion auf unbestätigten Einzelfällen und Behauptungen technischer Dienstleister, die „sowohl fadenscheinige und als auch sachlich falsche Einzelfälle verbreiten, um Ärzte und Patienten zu verunsichern“.
Dennoch will das Unternehmen den Vermutungen auf mögliche Unregelmäßigkeiten bei der parallelen Anbindung in einzelnen Praxen nachgehen. „Sollten sich darunter CGM TI-Installationen befinden, werden wir geeignete Maßnahmen ergreifen“, teilte das Unternehmen auf Nachfrage mit.
Die CGM lege höchsten Wert auf Sicherheit in den Praxen. Sicherheitsmaßnahmen seien deshalb obligatorischer Bestandteil der Technikerschulungen; „zu keinem Zeitpunkt wird geschult, bestehende Sicherheitsmaßnahmen zu deaktivieren“. Praxen, die den aktuellen Sicherheitsstatus ihrer Praxis überprüfen möchten, rät das Unternehmen, sich hierzu an ihren Vertriebs- und Servicepartner zu wenden.
Ursache der Probleme ist nicht der Konnektor
„Die geschilderten Sicherheitsprobleme hängen nicht mit dem Konnektor zusammen“, meinte auch der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Roland Stahl, auf Nachfrage des DÄ. Zudem müsse der Servicetechniker alles mit dem Praxisinhaber besprechen und über mögliche Folgen aufklären. „Es geht natürlich nicht, dass Techniker etwas machen, ohne dass der Arzt davon weiß“, erklärte er.
Die Freie Ärzteschaft empfiehlt den Praxisärzten daher, sich abzusichern, indem sie sich von der IT-Firma, die die TI-Komponenten in der Praxis installiert hat, schriftlich bestätigten lässt, dass dabei höchste Sicherheitsstandards erfüllt und alle Datenschutzmaßnahmen genau umgesetzt wurden.
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