Medizin

Testosteron kann vor Entzündungs­erkrankungen schützen

  • Donnerstag, 27. Juli 2017
/fieldwork, stock.adobe.com
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Jena – Entzündliche Erkrankungen wie Asthma, Psoriasis oder rheumatoide Arthritis kommen bei Frauen häufiger vor als bei Männern. Eine Ursache dafür könnte das männliche Sexualhormon Testosteron sein, da es sich geschlechtsspezifisch auf Ent­zün­dungshemmer auswirkt. Mit dem neu entdeckten molekularen Mechanismus klären Pharmazeuten der Universität Jena mit Kollegen aus Italien, Dänemark und Schweden eine wesentliche Ursache für Genderunterschiede bei entzündlichen Erkrankungen auf. In zwei Publikationen in Journal of Clinical Investigation und in Scientific Reports zeigen sie darüber hinaus, wie dies die Wirksamkeit von entzündungs­hemmenden Medikamenten vermindert (doi: 10.1172/JCI92885 und doi: 10.1038/s41598-017-03696-8).

Dazu haben die Forscher in unterschiedlichen Tiermodellen und an Immunzellen aus dem Blut von männlichen und weiblichen Versuchspersonen Entzündungsprozesse verglichen. Möglich machte das ein eigens entwickeltes Zellsystem, mit dem sich die ablaufenden Prozesse im Mikroskop beobachten lassen. „Wir haben die Bildung von entzündungsfördernden Substanzen, wie Leukotrienen und Prostaglandinen, unter­sucht und geschaut, ob sich die Wirkung von Entzündungshemmern in männlichen und weiblichen Zellen unterscheidet“, erläutert Oliver Werz von der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Testosteron vermindert die Leukotriensynthese

Erwartungsgemäß war die Wirkung der untersuchten Substanzen in den weiblichen Zellproben deutlich größer als in den männlichen – schließlich ist bei ihnen das Entzündungsgeschehen insgesamt deutlich ausgeprägter. „Diese Unterschiede lassen sich aber durch die Gabe von Testosteron komplett ausgleichen“, sagt Simona Pace, die Erstautorin der beiden Publikationen. Dass Testosteron vor Entzündungserkrankungen schützen kann, haben verschiedene Studien – auch des Jenaer Teams um Werz – bereits früher belegt. „Jetzt konnten wir den molekularen Wirkmechanismus aufklären und zeigen, dass dies auch die therapeutische Wirkung von Arzneistoffen beeinflusst“, unterstreicht die Postdoktorandin vom Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizini­sche Chemie der Uni Jena.

So zeigten die Forscher zum einen, dass das Sexualhormon unmittelbar in die Bio­syn­these der Leukotriene eingreift, indem es die Wechselwirkung der dafür notwendigen Eiweiße „5-Lipoxygenase“ und „FLAP“ blockiert. Zum anderen konnten sie nachweisen, dass durch die verminderte Leukotriensynthese vermehrt Prostaglandine entstehen, die ihrerseits das Entzündungsgeschehen fördern. Dem Testosteron kommt damit eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Entzündungen und der Modulation der Immun­antwort zu.

Damit liefern die Jenaer Forscher einmal mehr konkrete Anhaltspunkte für die Notwen­digkeit einer geschlechtsspezifischen Medizin. „Entzündungshemmende Wirkstoffe, die für Frauen geeignet wären, zeigen bei Männern unter Umständen nur eine geringe Wirkung und umgekehrt“, bringt es Werz auf den Punkt. Eine Tatsache, der in der Ent­wicklung neuer Medikamente – insbesondere zur Behandlung von Entzündungs­erkrankungen – künftig deutlich stärker Rechnung getragen werden müsse und die künftig vielleicht sogar in getrennte Medizinschränke für „sie“ und „ihn“ münden könnte.

gie/idw

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