Politik

Transplantations­skandal: Strafen sind fraglich

  • Freitag, 11. Januar 2013
Uploaded: 11.01.2013 14:51:57 by mis
dpa

Berlin – Nach Manipulationen von Patientendaten an mehreren Transplantationskliniken in Deutschland haben die ermittelnden Staatsanwaltschaften in München und Regensburg Erwartungen gedämpft, das ärztliche Fehlverhalten könne strafrechtlich geahndet werden.

„Wir gehen davon aus, dass die Datenveränderungen per se nicht strafbar sind“, sagte der Münchner Behördensprecher, Oberstaatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch, der taz vom Freitag. Dieser Einschätzung schloss sich sein Kollege aus Regensburg an. Sprecher der Strafverfolgungsbehörden in Leipzig und Braunschweig erklärten, eine „strafrechtliche Würdigung sei schwierig und aufwendig“.

Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministers kündigte heute in Berlin an, dass das Ministerium ein Gutachten dazu in Auftrag geben werde. Falls dies erbringe, dass es Lücken gebe, sollten entsprechende Konsequenzen gezogen werden.

„Wir haben hier eine Strafbarkeitslücke“, sagte Steinkraus-Koch der Zeitung. Ermittelt werde wegen Körperverletzung. „Hier aber stoßen wir auf das Problem der strafrecht­lichen Kausalität: Hat wirklich Patient X Schaden genommen, ist er gar gestorben, weil Patient Y auf der Warteliste nach oben gerückt ist?“ Ein solcher direkter Zusammenhang sei kaum nachweisbar. Nach dem Transplantationsgesetz sei zudem lediglich der Organhandel strafbar. Um den aber gehe es nicht. Auch handele es sich „weder um Urkundenfälschung noch um Veränderungen im Datenverarbeitungsprozess“, so Steinkraus-Koch.

Der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP) sprach sich unter­dessen dafür aus, angesichts des Transplantationsskandals ärztliches Fehlverhalten auch standesrechtlich zu sanktionieren. „Es darf in der Öffentlichkeit nicht der Eindruck entstehen, dass alles weitergeht wie bisher“, sagte Heubisch der taz.

Nicht strafrechtlich, aber standesrechlich relevant
„Fälle, die strafrechtlich nicht relevant sind, können standesrechtlich sehr wohl relevant sein“, fügte er hinzu. „Die Palette ist breit, sie reicht von einer Ermahnung über einen Verweis bis hin zum Berufsverbot, auch ein Entzug der Approbation wäre möglich.“ Als Wissenschaftsminister strebe er für Bayern zudem Veränderungen an, was Anzahl und Strukturen der Transplantationszentren angehe.

Wünschenswert sei nicht nur eine Verringerung der Gesamtzahl der Transplantations­zentren. „Es ist auch vorstellbar, dass in einem Transplantationszentrum künftig nicht mehr alles gemacht wird, sondern dass wir sagen: Wir haben hier für eine große Region ein Zentrum, das nur Nieren transplantiert und ein anderes, das sich auf Herzen und Lungen spezialisiert.“

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) zeigte sich unterdessen besorgt über die zurückgehenden Organspendezahlen. „Drei Menschen auf der Warteliste sterben jeden Tag“, sagte Bahr der Passauer Neuen Presse vom Freitag. „Wenn mehr mitmachen, müssen weniger sterben.“

Kontrollen verschärfen
Der Minister will nach eigenen Angaben nicht nur die Werbekampagnen verstärken, sondern vor allem die Kontrollregeln verschärfen, „um zukünftige Manipulationsversuche besser zu verhindern“. Im Mangel an Spenderorganen sieht er einen Nährboden für Manipulationen. „In Deutschland ist der Mangel an Spenderorganen so groß, dass auch Organe transplantiert werden, die früher nicht genutzt worden wären.“

Bahr sprach sich für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Ärzte aus, die sich bei der Vergabe von Spenderorganen fehlverhalten. In diesem Zusammenhang habe er die „Justizminister gebeten zu überprüfen, ob das Strafrecht verschärft werden muss. Auch im Berufsrecht arbeiten wir an besseren Ermittlungs- und Sanktionsmöglichkeiten", sagte er.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation hatte am Montag mitgeteilt, dass die Zahl der Organspenden 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 12,8 Prozent auf den niedrigsten Stand seit 2002 gesunken sei. Den deutlichsten Rückgang gab es in der zweiten Jahreshälfte nach Bekanntwerden von Manipulationen an mehreren Transplanta­tionszentren. Die Stiftung sprach von einer „besorgniserregenden Entwicklung“.

kna/afp

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