Türkei beendet fast alle Rettungseinsätze rund zwei Wochen nach Erdbeben

Hatay – Rund zwei Wochen nach dem verheerenden Erdbeben mit mehr als 44.000 Toten im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind die Rettungseinsätze in nahezu allen betroffenen Provinzen der Türkei eingestellt worden. Der türkische Katastrophenschutz teilte gestern mit, Rettungsteams nur noch in den zwei Provinzen Hatay und Kahramanmaras einzusetzen.
Für den syrischen Teil des Katastrophengebiets schlug die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen wegen der desolaten Versorgung der Erdbebenopfer Alarm. Die Bundesregierung und die USA sagten derweil zusätzliche Hilfsgelder für die Katastrophenregion zu.
Such- und Rettungsteams in der Türkei hatten gestern in den vorangegangenen 24 Stunden keine Überlebenden mehr gefunden. Laut Yunus Sezer, Chef des türkischen Katastrophenschutzes, beendete die Behörde nun ihre Einsätze in fast allen der elf betroffenen Provinzen der Türkei. Lediglich an rund 40 Gebäuden in den Provinzen Kahramanmaras und Hatay nahe des Epizentrums des Bebens laufe die Suche nach möglichen Überlebenden weiter, sagte Sezer.
Tausende Menschen werden in der Türkei und in Syrien noch immer vermisst. Ihre Überlebenschancen sind angesichts niedriger Temperaturen und der fortschreitenden Zeit verschwindend gering. Einem Rettungsteam war es vorgestern dennoch gelungen, zwei weitere Menschen in der Türkei lebend aus den Trümmern zu bergen.
Nach Angaben des türkischen Vizepräsidenten Fuat Oktay hat das Beben mindestens 105.000 Gebäude vollständig oder teilweise zerstört. Internetnutzer in der Türkei erinnerten mit Dutzenden alten Tweets und Videos an Erdogans frühere fahrlässige Politik beim Häuserbau. In einem Videoclip von 2018 gratulierte Erdogan Beamten zur Einführung eines Amnestiegesetzes, das sechs Millionen Gebäude mit nachweislichen Sicherheitslücken für bewohnbar erklärte.
Laut Experten kann die Nichtbeachtung von Baustandards die extrem hohe Opferzahl in der Erdbebenregion erklären. In der Türkei alleine stieg die Zahl der Opfer des schweren Erdbebens vom 6. Februar am Wochenende nach offiziellen Angaben auf über 40.000.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen forderte gestern, die Hilfen für Syrien „dringend“ massiv zu erhöhen. „Die Hilfe tröpfelt momentan in zu vernachlässigender Menge ein“, sagte Hakim Khaldi, der Leiter der syrischen MSF-Hilfsmission. „Wir haben unsere Notvorräte in drei Tagen aufgebraucht.“ Nach Angaben des MSF-Sprechers kommt in Syrien sogar weniger Hilfe an als vor dem Erdbeben.
Gestern war ein MSF-Konvoi aus 14 Lastwagen mit 1.269 Zelten und Winterausrüstung über die türkisch-syrische Grenze in den von überwiegend islamistischen Milizen kontrollierten Norden Syriens gefahren. Selbst die UNO hatte zwischenzeitlich von „internationalem Versagen“ bei der Unterstützung Syriens gesprochen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) kündigte an, die Hilfen der Bundesregierung für die syrischen Erdbebenopfer um 22,2 Millionen Euro zu erhöhen. Deutschlands Erdbebenhilfe für Syrien steigt damit laut Bild am Sonntag auf knapp 50 Millionen Euro. Den Menschen dort fehle nach zehn Jahren Krieg und dem Erdbeben nun das Allernötigste zum Überleben, sagte sie der Zeitung.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich am Wochenende „sehr, sehr dankbar“ für die Solidarität, Spenden und privaten Hilfsinitiativen der Bürger und wünschte den Hilfsorganisationen vor Ort Kraft für ihre „lebenswichtige Arbeit“. „Deutschland hilft,“ sagte er.
Auch die USA hatten 85 Millionen Dollar Soforthilfe für die Erdbebenregion bereitgestellt. Gestern traf US-Außenminister Antony Blinken in der Türkei ein und versprach zusätzlich 100 Millionen Dollar. Er überflog gemeinsam mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu das Katastrophengebiet, heute wollte er Staatschef Recep Tayyip Erdogan in Ankara treffen.
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