Türkei verhängt Ausreiseverbot für Wissenschaftler

Ankara/Bonn – Der türkische Hochschulrat hat allen Universitätslehrkräften und Wissenschaftlern Dienstreisen ins Ausland verboten. Das berichtete heute der Spiegel unter Berufung auf die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Demnach hat die zuständige Behörde zudem angeordnet, dass Forscher, die im Ausland tätig sind, in die Türkei zurückkehren müssen. Sonderregeln soll es nur dann geben, wenn die Arbeit der Wissenschaftler als „absolut notwendig“ angesehen werde.
Der türkische Hochschulrat fordert darüber hinaus alle Rektoren auf, ihre Mitarbeiter in Lehre und Verwaltung auf mögliche Verbindungen zur Bewegung des Erdogan-Gegners Fethullah Gülen zu überprüfen. Dafür haben die Hochschulen laut Spiegel bis zum 5. August Zeit. Hintergrund der Anordnung ist der gescheiterte Putsch-Versuch in der Türkei, für den Präsident Recep Tayyip Erdogan den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich macht. Dieser hatte die Vorwürfe von sich gewiesen.
Bereits gestern hatte die Verwaltung nach Spiegel-Informationen 1.577 Dekane an Hochschulen entlassen. 50.000 Soldaten, Polizisten, Richter und Lehrer seien seit dem Putschversuch festgenommen oder suspendiert worden.
In Deutschland löst das Vorgehen Protest aus. „Die deutschen Hochschulen sehen die aktuellen Entwicklungen an den türkischen Hochschulen mit Entsetzen“, sagte der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler. Die tiefen, offenbar skrupellosen Einschnitte in die akademischen Freiheiten durch die türkische Regierung machten „fassungslos“. „Wir protestieren gegen dieses Vorgehen auf das Schärfste“, sagte er.
Hippler betonte, dass die Nachrichten in Bezug auf die Entlassung von mehr als 1.500 Dekanen, Suspendierungen, Ausreiseverbote für Wissenschaftler und Rückrufe von im Ausland Tätigen, Generalverdacht gegen Hochschulangehörige und Verhaftungen darauf hindeuteten, dass es „um systematische Einschüchterung und um die Vernichtung des freien Geistes geht“. „Wir fühlen uns mit den betroffenen Hochschulangehörigen tief verbunden und versichern sie unserer Solidarität“, so Hippler.
Er wies darauf hin, dass Deutschland und die Türkei traditionell gute Wissenschaftsbeziehungen verbinden. Es gebe eine enge Kooperation in der universitären Forschung sowie einen intensiven Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern. Bereits im Januar hatte Hippler die Repressionen der türkischen Regierung gegen Wissenschaftler an türkischen Hochschulen kritisiert.
Gemeinsam mit internationalen Partnern unterzeichnete er zudem einen offenen Brief an den türkischen Staatspräsidenten, in dem der Schutz der akademischen Freiheiten eingefordert wurde. Auch die europäische Rektorenkonferenz EUA (European University Association), deren Mitglied die HRK ist, hat deutlich Stellung gegen die Repressionen bezogen.
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