Politik

TV-Debatte kurz vor Wahl: Scholz und Herausforderer stellen sich Bürgerfragen

  • Dienstag, 18. Februar 2025
Wahlarena 2025 ARD /Screenshot DÄ
/Screenshot DÄ

Berlin – Vier Kanzlerkandidaten, viele Fragen – und ein bunter Mix an Themen. Zwei Stunden lang stellten sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und seine Herausforderer Friedrich Merz (CDU), Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (AfD) gestern Abend den Fragen des Publikums in der ARD-Sendung „Wahlarena“.

Die vier Kandidaten standen nacheinander dem Publikum Rede und Antwort. Die Bürger konnten die Themen ihrer Fragen selbst wählen. Es ging um Themen wie Migration, Alterssicherung und Kitabetreuung – und um teils sehr spezielle Fragen wie Probleme bei der Pflegequalifikation und der Finanzierung der Weiterbildung der Psychotherapeuten.

Unionskandidat Merz, der in Umfragen führt, verteidigte seinen harten Kurs in der Migrationspolitik. Die Zahl der Zuwanderer sei „zu hoch“, und wer kein Aufenthaltsrecht habe, müsse ausreisen, sagte er.

Mit klarer Ablehnung reagierte der CDU-Chef auf die Forderung einer Zuschauerin im Studio, die psychologische Betreuung von Migranten zu verbessern, um Straftaten zu verhindern. „Wir können doch nicht für hunderttausende Menschen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben, psychische und psychiatrische Hilfe zur Verfügung stellen“, sagte Merz.

Der Unions-Kanzlerkandidat machte auch klar, dass er bei seinen Plänen zu Streichungen beim Bürgergeld mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht rechne. Darauf wolle er es ankommen lassen. „Diejenigen, die nicht arbeiten, aber arbeiten könnten, werden in Zukunft kein Bürgergeld mehr bekommen“, sagte Merz.

Einer Lehrerin für Pflegeberufe, die nebenher in der Firma ihres Mannes mitarbeitet und die sich über die aus ihrer Sicht zu hohe Steuerlast beklagte, versprach Merz „mehr Netto vom Brutto“. „Wir haben eine zu hohe Steuerbelastung in Deutschland“, fügte er hinzu. Das betreffe auch Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Auch Weidel sprach sich für niedrigere Steuern und Energiepreise sowie für weniger Bürokratie aus.

Mit Kanzler Scholz war sich Merz einig, dass in einem künftigen Bundeskabinett kein Platz für sie beide sei. „Das halten wir beide für relativ unwahrscheinlich“, sagte Merz auf die Frage, ob beide gemeinsam einer Regierung angehören könnten. Scholz stimmte Merz zu: „Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich will Kanzler bleiben, er will es werden.“

Scholz versuchte anschließend vor allem bei den Themen Rente, soziale Gerechtigkeit und Außenpolitik zu punkten. Scholz sicherte zum Beispiel zu, in einer zweiten Amtszeit die Festschreibung des Rentenniveaus zu verlängern. Diese bei 48 Prozent des Durchschnittseinkommens liegende sogenannte Haltelinie läuft dieses Jahr aus. „Wenn man einen sozialdemokratischen Kanzler hat, wird es verlängert“, sagte Scholz dazu.

Eine Pflegefachraft, die wegen ihrer geringen Rente nach 30 Jahren im Beruf halbtags weiter arbeiten geht, fragte nach der Rentengerechtigkeit. Scholz findet das nicht gerecht und betonte, es sei „toll, dass Sie so lange in dem Beruf gearbeitet haben“.

Er wisse, dass es ein „sehr, sehr anstrengender Beruf“ sei und das viele das nicht durchhielten, obwohl sie den Beruf lieben würden, „weil die Arbeitsbedingungen so schwierig“ sind. Deshalb habe er sich für steigende Löhne in der Pflege eingesetzt.

Scholz verwies auch auf den höheren Mindestlohn und die Vereinbarungen, dass Pflegeunternehmen diese Höhe gezahlt werden müsse. Rückwirkend würden diese Regelungen aber nicht greifen. „Das, was wir in der Vergangenheit in der Pflege an Gehältern gezahlt haben, war niemals in Ordnung“, so der Kanzler.

Maximilian Röbe von der Abteilung für Kinderonkologie der Uniklinik Köln beklagte einen Fachkräftemangel in der Kinderkrankenpflege. Das Problem sieht er darin, dass dort niemand ohne diese Qualifikation oder eine entsprechend vertiefte Ausbildung arbeiten darf.

Er fragte Scholz, wie die generalistische Pflegeausbildung und die Qualitätsvorgaben an Pflegekräfte in der Pädiatrie zusammengehen könnten. Röbe verwies auf Ausbildungsprogramme der Uniklinik, die aber nicht genügend Fortbildungsstellen anbieten könnten.

Scholz versprach, sich um das Thema zu kümmern und es zu lösen. „Ich finde, man muss sicherstellen, dass man solche Qualifikationsmöglichkeiten auch nutzen kann“.

Kritik kam von einer Frau mit afghanischen Wurzeln, die Psychotherapeutin werden will. Sie kritisierte die Vorhaben zur Migrationspolitik und mahnte eine bessere psychische Versorgung in Deutschland an. „Studien zeigen, dass das Angstgefühl der Menschen nicht abnimmt. Angst ist ein subjektives Gefühl und kein politisches Konstrukt“, sagte sie. Das könne man nur mit Maßnahmen in der psychosozialen Versorgung gewährleisten.

Sie bemängelte auch, dass sie keine Therapeutin werden könne. Weder im Wahlprogramm der Union noch der SPD stehe etwas zur Finanzierung der Weiterbildung für Psychotherapeuten. „Wir haben schon Fachkräftemangel und wir produzieren gerade einen neuen“, sagte sie.

Scholz verwies darauf, dass zuletzt mehr Zulassungsmöglichkeiten für Psychotherapeuten und Psychiater geschaffen worden seien. Das gleiche gelte für die Ausbildungskapazitäten. Das Thema sei in ganz Deutschland bekannt. Die zuständigen Ministerinnen und Minister arbeiteten daran, dass es genügend Ausbildungsplätze gebe. Die Frage nach der Finanzierung der Weiterbildung ließ Scholz offen.

Der Kanzler betonte, Deutschland sei ein Einwanderungsland und habe ein modernes Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Man müsse aber auch das „Management der irregulären Migration“ im Griff haben.

AfD-Chefin Weidel gab sich in der Sendung betont gemäßigt und zugewandt. In der Migrationspolitik verzichtete sie auf radikale Forderungen etwa nach Remigration, die sie auf AfD-Veranstaltungen regelmäßig erhebt. Stattdessen sprach sie sich für Fachkräftezuwanderung aus. Zugleich forderte Weidel: „Illegale sind in unserem Land nicht mehr willkommen. Wir werden sie ausweisen.“

Der Grünen-Kandidat Habeck wurde wenig zum Thema Klimaschutz befragt, sondern eher zu den Bereichen Wirtschaft und Finanzen. Der amtierende Wirtschaftsminister plädierte dabei insbesondere für eine „Investitionsprämie“, um Unternehmen, insbesondere in der Industrie, nach Deutschland zu locken oder sie hier zu halten. Davon erhoffe er sich einen „Kickstart“ für die schwächelnde Konjunktur.

Auf die Frage, welches Thema im Wahlkampf zu wenig Beachtung gefunden habe, sagte Habeck: „offensichtlich Klimaschutz“. Er kritisierte Merz für dessen Forderung nach „Technologieoffenheit“ in den Bereichen Verkehr und Heizen: „Hinter dem Wort ‚technologieoffen‘ verbirgt sich der Angriff auf die Klimaziele. Es ist eine Schimäre, ein trojanisches Pferd, das nicht meint, was es sagt.“

In der Sendung hatten die Wähler die Möglichkeit, ihre Fragen live an die Kanzlerkandidaten zu richten. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hatte vergeblich versucht, sich auf juristischem Wege einen Platz in der Sendung zu erstreiten. Längere Gespräche zwischen den vier Kanzlerkandidaten, die nacheinander befragt wurden, sah das Format der Sendung nicht vor.

dpa/afp/may

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