Typ-2-Diabetes: Schützen GLP-1-Agonisten besser vor Demenz als Metformin?

Zhengzhou – Patienten mit Typ-2-Diabetes haben ein erhöhtes Risiko, im Alter an einer Demenz zu erkranken. Blutzuckermedikamente könnten das Risiko senken, wobei GLP-1-Agonisten nach den Ergebnissen einer Big-Data-Analyse in BMJ Open Diabetes Research & Care (2025; DOI: 10.1136/bmjdrc-2025-004902) möglicherweise eine bessere protektive Wirkung haben als Metformin.
Metformin ist derzeit weltweit das Mittel der Wahl für die Erstbehandlung des Typ-2-Diabetes. Andere Blutzuckersenker werden erst eingesetzt, wenn der HbA1c-Wert trotz der Metforminbehandlung wieder ansteigt.
Bei adipösen Patienten böte sich wegen der deutlichen Gewichtsreduktion auch ein GLP-1-Agonist als Ersttherapie an. Diese Option wird heute aus Kostengründen selten gewählt.
In der globalen Datenbank TriNetX, die Zugriff auf die elektronischen Krankenakten von 98 „Healthcare organizations“ hat, fanden Mingyang Sun von der Universität Zhengzhou in der Provinz Henan und Mitarbeiter jedoch für die vergangenen beiden Jahrzehnte zahlreiche Patienten, bei denen der Typ-2-Diabetes gleich mit einem GLP-1-Agonisten behandelt wurde.
In einer Analyse verglichen sie 87.229 dieser Patienten mit der gleichen Zahl von Patienten, die als Ersttherapie Metformin erhalten hatten. Ihr Interesse galt dem Einfluss auf Demenzerkrankungen.
Experten vermuten, dass beide Mittel eine gewisse Schutzwirkung erzielen. Bei Metformin soll sie auf der Verbesserung der Insulinwirkung beruhen. Das Hormon sorgt dafür, das die Hirnzellen ausrechend mit Glukose versorgt werden. Auch eine Reduktion des oxidativen Stresses könnte eine Rolle spielen.
GLP-1-Agonisten wird dagegen eine direkte neuroprotektive Wirkung zugeschrieben. In der REWIND-Studie mit 9.901 Teilnehmern kam es unter der Behandlung mit dem GLP-1-Agonisten Dulaglutid zu 14 % seltener zu einem kognitiven Abbau als in der Placebogruppe.
Die Endpunktstudie hatte allerdings primär den Einfluss auf Herz-Kreislauf-Ereignisse untersucht, was die Aussagekraft einschränkt (Lancet Neurology 2020; DOI: 10.1016/S1474-4422(20)30173-3). Weitere randomisierte Studien sind deshalb notwendig.
Eine Big-Data-Analyse kann diese Studien nicht ersetzen. Sun und Mitarbeiter fanden jedoch heraus, dass bei Patienten mit Typ-2-Diabetes, die als Ersttherapie einen GLP-1-Agonisten erhalten hatten, später nur halb so häufig eine Demenz diagnostiziert wurde. Die Inzidenzen betrugen 2,4 % und 4,8 %.
Dieser Abstand „schmolz“ allerdings in einer adjustierten Analyse, die Unterschiede in demografischen Eigenschaften (Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit), klinischen Merkmalen – zum Beispiel Bluthochdruck, ischämische Herzerkrankungen, zerebrovaskuläre Erkrankungen – und Laborwerten wie HbA1c und dem Body-Mass-Index (BMI) berücksichtigte.
Die adjustierte Hazard Ratio von 0,90 war zwar mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,95 bis 1,00 signifikant. Sie bedeutet allerdings nur einen Rückgang des Demenzrisikos um 10 %. In einer Kaplan-Meier-Überlebenskurve ergab dies keinen auffälligen Unterschied in der kumulativen Inzidenz.
Auch die adjustierten Hazard Ratios auf einen Morbus Alzheimer von 0,92 (0,85-0,99) und andere Demenzen (0,88; 0,81-0,96) deuten einen signifikanten, aber nicht unbedingt klinisch relevanten Vorteil an. Das gleiche gilt für das um 11 % verminderte Sterberisiko (adjustierte Hazard Ratio 0,89 (0,81-0,95).
Ob dieser minimale Vorteil tatsächlich besteht, kann eine retrospektive Analyse von Krankenakten nicht beweisen. Da GLP-1-Agonisten wesentlich mehr kosten, ist es nach Ansicht von Patrick Kehoe von der Universität Bristol wahrscheinlich, dass sie selektiv an Patienten mit sozioökonomischen Vorteilen verschrieben werden.
Diese Personen sind in der Regel besser ausgebildet und pflegen häufiger einen gesünderen Lebensstil, der ebenfalls vor einer Demenz schützt – unabhängig davon, mit welchen Medikamenten der Blutzucker gesenkt wird, wie Kehoe dem Science Media Center erklärte. Auch die anderen Experten blieben skeptisch und rieten dazu, die Ergebnisse aus laufenden randomisierten Studien abzuwarten.
Die MAP-Studie („Metformin in Alzheimer's Dementia Prevention“) untersucht derzeit an 326 Patienten, ob Metformin bei Patienten mit leichten kognitiven Einschränkungen eine Demenz hinauszögern kann.
Der Hersteller NovoNordisk lässt in 2 Endpunktstudien (EVOKE und EVOKE plus) an jeweils 1.840 Patienten prüfen, ob Semaglutid Patienten vor einem Morbus Alzheimer schützen kann beziehungsweise im Frühstadium den weiteren Verlauf günstig beeinflusst. Erste Ergebnisse werden im nächsten Jahr und bei der MAP-Studie im übernächsten Jahr erwartet.
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