Medizin

Ultraschall und Mikrobubbles befördern Medikamente durch die Bluthirnschranke

  • Donnerstag, 16. Juni 2016
Uploaded: 16.06.2016 15:00:31 by gießelmann
Implantiertes Ultraschallgerät /A. Carpentier et al. Science Translational Medicine

Washington - Die Blut-Hirn-Schranke verhindert, dass giftige Stoffe, aber auch Medika­mente von der Blutbahn in das Gehirn gelangen. Mittels Ultraschall und Gasbläschen ist es Forschern gelungen, diese Barriere vorübergehend aufzuheben. In einer prospekti­ven Phase 1/2a-Studie konnte dieser Effekt bei Hirntumorpatienten ab einem Schalldruck von 0,8 MPa nachgewiesen werden. Dabei gab ein minimalinvasiv implantiertes Gerät die Ultraschallwellen ab. Die Ergebnisse wurden in Science Translational Medicine (DOI: 10.1126/scitranslmed.aaf6086) publiziert.

Uploaded: 16.06.2016 15:04:55 by gießelmann
Das Implantat besteht aus einem Ultraschall (US)-Transducer umhüllt von einer biokompatiblen Hülle. Eine transdermale Nadel verbindet das US-gerät mit einem externen Radiofrequenzgenerator. / A. Carpentier et al.

Bei 15 Rezidiv-Patienten mit einem Glioblastom hat das Team um Alexandre Carpentier vom Universi­tätskran­ken­haus La Pitié-Salpêtrière in Paris ein kleines Ultra­schallgerät von 11,5 mm Durchmesser am Schädel­knochen oberhalb des Tumors implantiert. Der Eingriff dauert 15 Minuten unter lokaler Anästhesie. Sie injizierten gasgefüllte Bläschen – sogenannte „Mikrobubbles“ – in den Blutkreislauf, die durch die Ultraschallwellen von bis zu 1,1 MPa in einen vibrierenden Zustand versetzt wurden, der für die temporäre Öffnung der Bluthirnschranke von etwa sechs Stunden sorgt. Anschließend injizierten sie die Carboplatin-Dosis der Chemotherapie. Unter normalen Umständen erreicht nur 4 % des Carboplatins das Gehirn. Unter Ultraschall verfünfacht sich diese Menge vermutlich. Zu diesem Schluss kommen die Forscher aufgrund von Magnetresonanztomografie-Aufnahmen vor und nach der Injektion.

Die Studie diente vor allem dem Zweck, die Sicherheit der Technik zu prüfen, berichtet Carpentier. Auch wenn die Ultraschallwellen essentielle Hirnregionen, wie etwa Sprach- oder Bewegungszentren, erreichten, konnten die Forscher keine negativen Effekte ausmachen. In weiteren Studien soll jetzt nachgewiesen werden, ob auch die Überle­bens­­rate der Patienten durch die effektivere Therapie verbessert werden kann.

Nahezu 100 % aller Medikamente können die Bluthirnschranke nicht passieren. Bisher wurden Substanzen aufwendig modfiziert, um diese Barriere zu überwinden. Die Kombi­nation aus Ultraschallwellen und Mikrobubbles könnte zukünftig eingesetzt werden, um vorhandene Krebsmedikamente oder Wirkstoffe gegen neurodegenrative Erkrankungen an ihren Wirkort im Gehirn zu befördern.

In früheren Studien gelang es Forschern bereits pathologische Proteinablagerungen im Gehirn von Mäusen, die den Amyloidplaques bei Alzheimerpatienten entsprechen, per Ultraschall zu beseitigen. Das Erinnerungsvermögen und die kognitiven Fähigkeiten der Tiere verbesserten sich dadurch deutlich.

gie

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