UN-Menschenrechtskommissar verurteilt Angriff auf Kinderklinik in Kiew

New York – UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk hat die Angriffe auf eine Kinderklinik in der ukrainischen Hauptstadt Kiew als „abscheulich“ verurteilt. Sie hätten die „Intensivstation, die chirurgische und die onkologische Abteilung“ des Ochmatdyt-Kinderkrankenhauses „schwer beschädigt“, erklärte er gestern.
Die Dialyseabteilung der Klinik sei „zerstört“ worden. „Unter den Opfern waren die kränksten Kinder der Ukraine.“ Türk fügte hinzu: „Ich bitte alle, die Einfluss haben, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit diese Angriffe sofort aufhören.“
Bürgermeister Vitali Klitschko sprach von 16 Verletzten in dem Krankenhaus, unter ihnen sieben Kinder. Zwei der Verletzten starben demnach. Laut Gesundheitsminister Wiktor Ljaschko wurden in dem Kinderkrankenhaus Abteilungen für Dialyse, Krebsbehandlung, Operationssäle und die Intensivstation beschädigt.
Hunderte Anwohner halfen Rettungskräften, Trümmer zu räumen und nach Opfern zu suchen. „Kleine Krebs- und Dialysepatienten sitzen mit ihren Müttern auf dem Bürgersteig“, berichtete der deutsche Botschafter Martin Jäger auf X von einem Besuch am Krankenhaus.
Das Ochmatdyt-Kinderkrankenhaus war nach ukrainischen Angaben gestern von einem russischen Marschflugkörper getroffen worden, mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet. Insgesamt starben gestern bei Angriffen in der ukrainischen Hauptstadt mindestens 40 Menschen.
Das russische Verteidigungsministerium bestätigte Raketenangriffe, die angeblich Rüstungsfabriken und Militärflugplätzen der Ukraine galten. Die vielen Videobilder aus Kiew belegten, dass die Schäden durch eine ukrainische Flugabwehrrakete verursacht worden seien, hieß es ohne Beleg.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies die russischen Behauptungen zu einem Fehler der Flugabwehr zurück. „Was für ein Zynismus, den die Mistkerle im Kreml an den Tag legten, dass es angeblich die ukrainische Flugabwehr und kein gezielter Raketenschlag war“, sagte er auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Regierungschef Donald Tusk in Warschau.
Selenskyj dankte allen, die Videos ins Internet gestellt haben, „auf denen konkret zu sehen ist, dass es nicht nur ein Teil der einen oder anderen Rakete ist, sondern ein direkter Raketenschlag ist, mit dem viele Menschen getötet und verletzt wurden“.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen handelt es sich „sehr wahrscheinlich“ um eine russische Rakete. Videoaufnahmen zeigten, dass die Klinik „direkt“ von einem in Russland gestarteten Marschflugkörper vom Typ CH-101 getroffen worden sei, sagte die Leiterin der UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine, Danielle Bell, in Genf. Es sei jedoch eine eingehende Untersuchung des Vorfalls erforderlich.
Als Reaktion auf die folgenschweren Angriffe forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats. Dieser kommt am heutigen Nachmittag zusammen.
Der Marburger Bund (MB) zeigte sich heute entsetzt. „Die Bombardierung eines Kinderkrankenhauses ist ein abscheuliches Kriegsverbrechen. Wir verurteilen diese Attacken auf das Schärfste“, sagte die 1. Vorsitzende des MB, Susanne Johna. Seit Beginn des russischen Überfalls vor über zwei Jahren habe es eine Vielzahl solcher Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen und Gesundheitspersonal gegeben.
„Wir sind zutiefst empört darüber, dass diese Angriffe auf das ukrainische Gesundheitswesen andauern. Das humanitäre Völkerrecht verlangt, dass medizinisches Personal, Material, Transporte und Einrichtungen geschützt sind“, so Johna. „Wir stehen in dieser schweren Zeit fest an der Seite unserer Kolleginnen und Kollegen in der Ukraine.“
Ähnlich äußerten sich die Europäische Akademie für Kinderheilkunde und die Europäische Konföderation für Kinderärzte in der Primärversorgung. Es sei „vollständig inakzeptabel“, medizinische Einrichtungen, insbesondere auf Kinderkrankenhäuser, anzugreifen, machten die Organisationen deutlich. Das sei ein klares „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Angriffe auf zivile Infrastrukturen wie Krankenhäuser im Krieg seien „an Grausamkeit kaum zu überbieten“, kritisierte der Generalsekretär des Hilfswerks Help, Thorsten Klose-Zuber. Auch im Krieg gälten Regeln, nach denen Zivilbevölkerung und zivile Infrastruktur unbedingt verschont werden müssten.
„Mehr als zweieinhalb Jahre nach der Eskalation des Kriegs in der Ukraine gehen die Angriffe und das Leid unvermindert weiter, mehr als 14 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen“, erklärte Klose-Zuber. Die Organisation stehe in Kontakt mit den örtlichen Gesundheitsbehörden, um den Hilfsbedarf zu klären.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte der Ukraine weitere humanitäre Hilfe zu. Der russische Angriff sei „ein furchtbares Kriegsverbrechen, das erneut zeigt, mit welch unfassbarer Unmenschlichkeit Putin seinen Krieg gegen die Ukraine führt“, erklärte Faeser in Berlin mit Blick auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin. Deutschland werde seine humanitäre Unterstützung „mit aller Kraft fortsetzen“.
Deutschland habe bislang 1.116 schwer verwundete, verletzte und kranke Ukrainerinnen und Ukrainer evakuiert, erklärte Faeser. „Weitere Evakuierungen stehen unmittelbar bevor.“ Viele Opfer hätten Gliedmaßen verloren, sie hätten Schuss- und Explosionsverletzungen. „Auch Kinder haben wir evakuiert, die furchtbare Kriegsverletzungen erlitten haben“, erklärte die Ministerin.
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