Uniklinikum Marburg/Gießen: „Die Stimmung ist gereizt“
Berlin – Die Ankündigung der Rhön Klinikum AG, 500 Arbeitsstellen am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) streichen zu wollen, hat in Hessen und darüber hinaus zu Empörung geführt. Nach Gesprächen zwischen der Konzernleitung und dem Land Hessen sei die Zahl 500 vom Tisch, wie Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) erklärte.
Der frühere FDP-Vorsitzende Wolfgang Gerhardt und Ex-Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) sollen nun als Mediatoren dabei helfen, zwischen dem Land und der Rhön Klinikum AG zu vermitteln. Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt erklärt der Gynäkologe und Marburger Personalrat Franz-Josef Schmitz, wie die Stimmung unter den Ärzten im UKGM ist und welche Folgen Stellenstreichungen für die Universitätskliniken hätten.

Fünf Fragen an… Franz-Josef Schmitz, Vorsitzender des Eigenständigen Personalrats bei der Philipps-Universität Marburg
DÄ: Wie ist die Stimmung der Ärzte im UKGM zurzeit?
Schmitz: Die Stimmung ist gereizt. Schon heute lässt sich die Krankenversorgung auf dem gegenwärtigen Niveau nur mit Überstunden sicherstellen. Und trotzdem kommt es teilweise zu erheblichen Wartezeiten für unsere Patienten. Durch den Personalmangel leidet zunehmend das Patient-Arzt-Verhältnis. Für viele junge Ärzte ist zudem die eigene Zukunftsplanung unklar, weil eine strukturierte Weiterbildung unter den gegebenen Umständen nicht möglich ist. Durch unbesetzte Stellen im pflegerischen Bereich mussten sogar schon Betten geschlossen werden. Wir arbeiten alle am Anschlag, nicht wenige auf Kosten ihrer Gesundheit. Vor diesem Hintergrund noch weitere Stellen abbauen zu wollen, ist eine Farce.
DÄ: Was würde denn geschehen, wenn weitere Stellen in Marburg und Gießen abgebaut würden?
Schmitz: Dann würde es zu einem Leistungseinbruch kommen, der eine Abwärtsspirale in Gang setzte, die nicht mehr aufzuhalten wäre. Im Übrigen gibt es schon heute einen schleichenden Stellenabbau durch befristete Arbeitsverträge. Man muss sich doch auch vergegenwärtigen, welche Außenwirkung das UKGM auf junge Ärzte hat. Wenn nun noch Stellen abgebaut werden sollen, werden potenziell interessierte qualifizierte Wissenschaftler nicht nach Marburg und Gießen kommen. Das würde beide Standorte perspektivisch schwächen.
DÄ: Ist unter dem Personalmangel, von dem Sie sprachen, Forschung und Lehre im UKGM noch möglich?
Schmitz: Ja. Aber nur in der Freizeit, am Wochenende. Denn bei zunehmender Arbeitsbelastung leiden natürlich als erstes Forschung und Lehre. Diese sind aber für ein Universitätsklinikum von großer Bedeutung. Das Wort Universität darf nicht nur auf dem Türschild stehen, sondern Marburg und Gießen müssen tatsächlich wieder zu universitären Einrichtungen werden, die dem Allgemeinwohl und nicht der Gewinnmaximierung einer börsendotierten Kapitalgesellschaft dienen. Deshalb müssen Ärzte wirklich Zeit für Forschung und Lehre neben der Patientenversorgung bekommen.
DÄ: War die Privatisierung von Marburg und Gießen denn ein Fehler?
Schmitz: Nein. Das kann man so pauschal nicht sagen. Aber es sind handwerkliche Fehler in den entsprechenden Gesetzen und im Kooperationsvertrag gemacht worden, die zu der jetzigen Situation geführt haben. Zum Beispiel hätte man nicht auf öffentliche Investitionen verzichten dürfen.
DÄ: Wie soll es jetzt weitergehen? Was erwarten Sie vom Land Hessen und von der geplanten Mediation?
Schmitz: Auf jeden Fall dürfen keine Stellen abgebaut werden! Sollte die Konzernleitung wirklich daran festhalten wollen, auch wenn es weniger als 500 Stellen wären, würde das den massiven Widerstand der Mitarbeitervertretungen hervorrufen.
Das Land Hessen muss jetzt zu seiner Verantwortung stehen und verbindliche Personalmindeststandards erstellen. Auch muss das Land dafür Sorge tragen, dass die wissenschaftliche Arbeit in Marburg und Gießen wieder möglich ist. Denn dafür trägt die Politik die Verantwortung. Die Entscheidung, zwei Mediatoren zu bestellen, ist allein vom Land und von der UKGM gefällt worden. Wir verschließen uns Gesprächen nicht, glauben aber nicht, dass die geplante Mediation geeignet ist, die Probleme zu beheben.
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