Union will gegen Lieferengpässe bei Arzneimitteln angehen

Berlin – Deutschland muss angesichts zunehmender Lieferengpässe bei Arzneimitteln eine nationale Arzneimittelreserve aufbauen. Dafür spricht sich die Union im Bundestag unter anderem in einem fünfseitigen Entwurf für ein Positionspapier aus, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Darin zu finden sind eine Reihe von konkreten Maßnahmen, um Lieferengpässe künftig besser in den Griff zu bekommen.
Stand Mitte September gab es für 229 Humanarzneimittel einen Lieferengpass. Dies verunsichere Patienten, stelle ein Risiko für die Arzneimittelversorgung dar und schaffe einen erhöhten Aufwand für Apotheker und Ärzte, schreibt die Union in dem Papier. Patienten seien „zurecht“ beunruhigt, wenn ihr gewohntes Arzneimittel in der Apotheke nicht erhältlich sei. Daher müsse man „Lieferengpässe von Medikamenten nachhaltiger vorbeugen und eine dauerhaft zuverlässige Versorgung mit sicheren Arzneimitteln gewährleisten“.
Lösen will die Union das mit mehr Transparenz über das Liefer- und Marktgeschehen, verbindlichen Meldepflichten bei drohenden oder bestehenden Lieferengpässen versorgungsrelevanter Arzneimittel, dem Aufbau einer Nationalen Arzneimittelreserve bei drohenden Lieferengpässen, Exportbeschränkung im Falle bestehender Lieferengpässe sowie der Anpassung der Ausschreibungs- und Vergabemodalitäten.
Bei der Transparenz fordert die Union das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf, Maßnahmen zu ergreifen, die für eine größere Transparenz bei Lieferketten von pharmazeutischen Unternehmen über Großhandel bis hin zu den Apotheken sorgen. Auch die Einkaufssituation und Belieferung von Krankenhausapotheken müsse dabei berücksichtigt werden, heißt es.
Von besonderer Bedeutung sei dabei auch der Export von Arzneimitteln, die eigentlich zur Versorgung der Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, jedoch aufgrund globaler Marktsituationen in andere Länder exportiert würden. „Bis heute ist nicht vollkommen nachvollziehbar, in welchem Umfang dies der Fall ist“, schreibt die Union.
Exportbeschränkungen als ultima ratio
Als wichtig erachten CSU und CDU im Bundestag, das System der Erfassung von Lieferengpässen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auszuweiten. Die bereits für Krankenhausapotheken bestehende Meldepflicht müsse auf versorgungsrelevante Medikamente für die ambulante Versorgung ausgedehnt werden, so der Vorschlag. Drohende Lieferengpässe seien „unverzüglich, auch bei sich lediglich anbahnenden Lieferschwierigkeiten, an das BfArM zu melden“.
Ebenso notwendig, das hatte auch schon die Bundesärztekammer (BÄK) angeregt, ist eine nationale Arzneimittelreserve. „Hierunter versteht sich selbstverständlich keine statische Einlagerung von Medikamenten in zentralen Depots mit der entsprechend notwendigen Erneuerung des Bestands. Dies ist unpraktikabel und würde zu hohe Kosten verursachen“, so die Union.
Um zu gewährleisten, dass versorgungsrelevante Arzneimittel für Patienten verlässlich verfügbar seien, sei „eine Ausweitung der Vorhaltepflicht zu prüfen“. Die verpflichtende Vorratshaltung solle Arzneimittel umfassen, die auf der regelmäßig zu aktualisierenden Liste als Medikament mit Versorgungsrelevanz ausgewiesen seien und bei denen ein Lieferengpass drohe.
Für versorgungsrelevante Arzneimittel, bei denen ein Lieferengpass festgestellt wurde, regt die Union in dem Papier „als ultima ratio“ die Möglichkeit an, Exportbeschränkungen für Großhändler und Apotheken mit Großhandelserlaubnis zu verhängen. Das solle so lange gelten, bis ein Lieferengpass behoben wurde.
Ebenso sollten beispielsweise Rabattverträge nur ausgeschrieben werden, wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden seien. Um die Vielfalt und damit eine weitere Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden.
Die Union schlägt darüberhinaus vor, das Thema Arzneimittelproduktion in der EU als Thema der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 anzugehen. Auch müssten Marktchancen und damit der Absatz für Arzneimittel „Made in Europe“ erhöht werden.
Es müsse Ziel der deutschen Arzneimittelpolitik sein, die Staaten der Europäischen Union als Standort für die pharmazeutische Industrie zu stärken, heißt es. Man müsse Maßnahmen ergreifen, um eine weitere Abwanderung, insbesondere der Wirkstoffherstellung, zu verhindern oder bestenfalls Produktionen nach Europa zurückzuverlagern.
Dies diene der sicheren Medikamentenversorgung und der Stärkung der deutschen und europäischen Industrie sowie des Mittelstandes. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedstaaten müsse man zudem Wege finden, um Arzneimittel, die in der Europäischen Union produziert werden, in der Vergabe und Versorgung zu privilegieren. Ausgebaut werden müsse auch das Lieferkettenmanagement und das Lieferkettenüberwachungssysteme.
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