Ärzteschaft

Urteil: Kassenärzte können nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden

  • Freitag, 22. Juni 2012
Uploaded: 22.06.2012 14:46:54 by mis
dapd

Karlsruhe – Vertragsärztinnen und –ärzte, die von einem Pharmaunternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Entsprechend sind auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten solche Vorteile gewähren, nicht wegen Bestechung zu belangen. Das hat der Bundesgerichtshof (BHG) am Freitag entschieden.

Der Straftatbestand der Bestechlichkeit wäre nur dann erfüllt, wenn es sich beim niedergelassenen Vertragsarzt um einen Amtsträger oder einen Beauftragten der gesetzlichen Krankenkassen handeln würde. Das hat der BGH jetzt verneint. Der freiberuflich tätige Kassenarzt sei weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde, begründet das Gericht seine Entscheidung. Er werde allein aufgrund der individuellen, freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig.

Dabei sei das Verhältnis zwischen Arzt und Patient wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen sei. Der Vertragsarzt sei zwar in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge eingebunden. Das verleihe der vertragsärztlichen Tätigkeit aber nicht „den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung“. Da Krankenkassen und Vertragsärzte darüber hinaus auf einer „Ebene der Gleichordnung“ zusammenwirkten, könnten die Ärzte auch nicht als Beauftragte der Kassen gelten.

In dem zugrunde liegenden Fall war eine Pharmareferentin, die Vertragsärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 Euro übergeben hatte, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das Geld war im Rahmen eines „Verordnungsmanagements“ geflossen, wonach Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens fünf Prozent des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Der BGH betont, er habe nur zu entscheiden gehabt, ob korruptes Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht  strafbar ist. „Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers“, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts.

In der Ärzteschaft stieß das Urteil des BGH auf ein positives Echo. „Diese Entscheidung stärkt die ärztliche Freiberuflichkeit“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler. Das Wichtigste sei, dass die Richter klargestellt hätten, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis wesentlich von persönlichem Vertrauen gekennzeichnet sei, und Ärzte keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnähmen.

Der BGH betone in seinem Urteil  zu Recht, dass der freiberuflich tätige Kassenarzt weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde sei, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Das Gericht hebe damit auf die besondere, freiberufliche Stellung des Arztes ab.

Montgomery verwies in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des 115. Deutschen Ärztetags im Mai in Nürnberg. Dieser hatte sich gegen eine weitere Verrechtlichung des Arztberufes ausgesprochen und auf die Gefahren hingewiesen, die mit einer Degradierung von Ärzteinnen und Ärzten zu Erfüllungsgehilfen und Beauftragten der Krankenkassen verbunden gewesen wären.

Zustimmung zu dem Urteil kam auch vonseiten der Pharmaindustrie. „Wir begrüßen, dass in dieser seit langem umstrittenen Frage nun erstmals Rechtssicherheit einkehrt“, erklärte Holger Diener, Geschäftsführer des Vereins „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie“, einem Selbstkontrollorgan der Pharmaindustrie. Der Beschluss ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass bei der Zusammenarbeit von Pharmaunternehmen mit Ärzten klare Spielregeln eingehalten werden müssten, um schon den Anschein einer unlauteren Beeinflussung von Beschaffungs-, Therapie- oder Verordnungsentscheidungen zu vermeiden.

Für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen geht es nach dem BGH-Urteil nun in erster Linie darum, „den Widerspruch im Strafrecht zwischen angestellten Ärzten und Freiberuflern schnellstens abzustellen“. Denn im Gegensatz zu den niederge­lassenen Vertragsärzten können sich Krankenhausärzte der Bestechlichkeit schuldig machen. Hier sei der Gesetzgeber gefordert.

HK

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