Komplizierte Grenzziehung: Kooperation oder Korruption?
Berlin – Wo endet eine auch von der Politik ausdrücklich gewünschte Kooperation zwischen Ärzten untereinander oder zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsberufen? Und wo beginnt möglicherweise Korruption? Schwer zu sagen – so könnte man die Antworten mehrerer Referenten beim zurückliegenden 15. Deutschen Medizinrechtstag in Berlin zusammenfassen. Die Juristen verwiesen auf widersprüchliche Anforderungen als Folge gesetzlicher und berufsrechtlicher Vorgaben.
So sind Kliniken beispielsweise nach dem Krankenhausgesetz in Nordrhein-Westfalen zur Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten verpflichtet, wie Rechtsanwalt Michael Ossege erläuterte. Auch das Sozialgesetzbuch verpflichtet Ärzte zur Kooperation, unter anderem durch einen neuen Passus zum Entlassmanagement. Andererseits zieht die Berufsordnung für Ärzte klare Grenzen bei der Zusammenarbeit, um unethisches Verhalten zu verhindern, so durch das Verbot, ein Entgelt oder Vorteile für Zuweisungen anzunehmen.
Verweis auf Apothekenring ist zulässig
Doch im Einzelnen führen die allgemeinen Vorgaben zu Unsicherheiten, was zulässig ist und was nicht, wie Ossege anhand eines Falls verdeutlichte: Dabei ging es um die Frage, ob eine Klinik über eine Tochterfirma ihren Patienten anbieten darf, für sie im Rahmen des Entlassmanagements Kontakt zu einem Ring von Apotheken herzustellen. Der Bundesgerichtshof habe dies im März unter bestimmten Voraussetzungen bejaht.
Ossege riet Ärzten, sich vor allem auf dem Laufenden zu halten: Sie müssten die berufsrechtlichen Vorschriften kennen und beachten, aber auch die aktuelle Rechtsprechung verfolgen: „Jeder Arzt muss sich informieren: Was gibt es für Neuerungen, was habe ich für Möglichkeiten?“ Bei Kooperationsverträgen sei entscheidend, in welchem Geist diese gelebt würden.
Und noch etwas führte der Rechtsanwalt an: Der Bundesgerichtshof hat zwar in seinem berühmt gewordenen Urteil verneint, dass niedergelassene Ärzte sich der Korruption schuldig machen können, weil sie weder Amtsträger noch Beauftragte der Krankenkassen sind. Doch das Urteil, warnte Ossege, enthalte ebenso „eine Aufforderung des Großen Senats an den Gesetzgeber, hier tätig zu werden“. Derzeit arbeitet das Bundesjustizministerium an einer Gesetzesvorlage.
Unsicherheit und fehlendes Unrechtsbewusstsein
Die gesetzlichen Regelungen zur Zuweisung gegen Entgelt seien intransparent und schwammig, resümierte auch Rechtsassessor Jörg Hofmayer, Leiter der Honorarprüfung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns: „Das führt bei den Zuweisern zum einem zu Unsicherheit und zum anderen zu einem fehlenden Unrechtsbewusstsein."
Die Frage, wann von einer Zuweisung gegen Entgelt zu sprechen ist, sei oftmals schwer zu beurteilen, so Hofmayer. „Eine Prämie für jeden überwiesenen Patienten ist ein klarer Fall einer unzulässigen Zuweisung. Bei Einladungen zum Abendessen dagegen ist die Zulässigkeit schon schwieriger zu beurteilen – zumal der Grund für die Einladung ja auch in einer freundschaftlichen Verbindung liegen kann.“ Hofmayer verwies dabei auch auf den Fall des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Klare Regeln und mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften
Für mehr Transparenz forderte er klare rechtliche Regelungen: „Um durch das Verhalten Einzelner nicht einen ganzen Berufsstand unter Generalverdacht zu stellen, ist es erforderlich, einen klar umrissenen Straftatbestand im Strafgesetzbuch festzuschreiben, der für alle im Gesundheitswesen Tätigen gilt, und sich nicht nur auf Ärzte bezieht.“
Auch mehr Schwerpunktstaatsanwaltschaften einzurichten, begrüße die KV Bayerns, so Hofmayer. Staatsanwälte seien häufig überfordert, beispielsweise Abrechnungsbetrug zu erkennen. Das führt nach seinen Erfahrungen dazu, dass sich manches Verfahren stark in die Länge zieht beziehungsweise Ärzte zu Unrecht straffrei ausgehen.
Von zukünftigen Regelungen erwartet Hofmayer, dass sie transparent machen, welches Verhalten verboten ist (und welches nicht), dass die daraus abzuleitenden Regeln nicht praxisfremd sind und die Verbote durchsetzbar. Er gab zu bedenken, dass Ärztekammern und KVen, aber auch Krankenkassen keine Ermittlungsbefugnisse besitzen – „und das ist gut so“.
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