US-Gremium: Hepatitis-B-Impfempfehlung für Neugeborene lockern

Washington - In den USA soll die jahrzehntealte Empfehlung zur Hepatitis-B-Impfung direkt nach der Geburt gelockert werden. Entsprechend hat das Impfgremium ACIP (Advisory Committee on Immunization Practices) der Gesundheitsbehörde CDC Ende vergangener Woche abgestimmt, wie das US-Gesundheitsministerium (HHS) mitteilte.
Wurde die Mutter negativ auf Hepatitis B getestet, sollen Eltern künftig in Absprache mit einem Arzt entscheiden, ob ihr Baby die Geburtsdosis erhalten soll. Dabei gelte es etwa zu beachten, ob es im Haushalt ein Infektionsrisiko gibt oder ob häufiger Kontakt zu Menschen aus Ländern mit hoher Verbreitung der Erkrankung besteht. Bei Müttern, die selbst infiziert sind, bleibt es dabei, dass das Neugeborene direkt nach der Geburt geimpft werden soll.
Für Kinder, die diese Impfung nicht bereits nach der Geburt erhalten, schlägt das Gremium vor, mit der ersten Dosis mindestens bis zum Alter von zwei Monaten zu warten. Die Empfehlung muss noch vom Direktor der Gesundheitsbehörde CDC offiziell übernommen werden, was aber unter US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. als gesichert gilt.
Nach Ministeriumsangaben ist die bisherige allgemeine Empfehlung, bei der Geburt eine Dosis des Hepatitis-B-Impfstoffs zu verabreichen, unter den Industrieländern mit geringer Hepatitis-B-Prävalenz eine Ausnahme. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) die Grundimmunisierung gegen Hepatitis B im Alter von zwei, vier und elf Monaten.
Die US-Akademie für Kinderärzte (AAP) nannte die ACIP-Empfehlung „irreführend“ für Eltern. Sie werde zu einem Anstieg der Infektionen bei Säuglingen und Kindern führen, warnte AAP-Präsidentin Susan Kressly.
Das Portal The Hill berichtet, es habe eine klare Spaltung im Ausschuss gegeben: Eine Minderheit warnte demnach vor zu erwartenden negativen Auswirkungen und verwies darauf, dass es kaum Daten gebe, die eine Änderung der Empfehlung stützten. Das Ministerium zitierte derweil eine Wissenschaftlerin mit den Worten, dass die Impfung nur einen geringen Beitrag zum Rückgang der Hepatitis-B-Prävalenz in den USA seit Mitte der 80er Jahre geleistet habe.
Kennedy hatte im Juni die bisherigen Mitglieder des Gremiums in einem beispiellosen Vorgang entlassen und sie vor allem mit Impfskeptikern ersetzt. Er kritisiert schon länger, dass die Zahl der Routineimpfungen für Kinder in den USA zu hoch sei und brachte wiederholt einen angeblichen Zusammenhang zwischen Autismus und Impfungen ins Spiel. Kennedy hatte die Impfkommission mit der Überprüfung der mehr als 30 Jahre alten Empfehlungen beauftragt.
US-Präsident Donald Trump wies zudem an, die Impfempfehlungen für Kinder nach dem Vorbild anderer Länder überarbeiten zu lassen. Die US-Empfehlungen sollen demnach mit denen anderer Industrieländer verglichen werden. Im Falle „überlegener“ Vorgehensweisen sollten die US-Empfehlungen dahingehend angepasst werden, wie aus einem entsprechenden Memorandum hervorgeht.
Der US-Präsident moniert etwa, dass mit Stand Januar 2025 für Kinder in den USA Impfungen gegen 18 Krankheiten vorgesehen seien – damit nähmen die USA eine „Sonderstellung“ im Vergleich zu anderen Industrienationen ein. Deutschland sieht demnach nur Impfungen gegen 15 Krankheiten vor, in Dänemark sind es nur zehn.
Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom verurteilte die Entscheidung der CDC zur Hepatitis-B-Impfung scharf und verwies auf eine Stellungnahme mehrerer Bundesstaaten: Kalifornien, Oregon, Washington und Hawaii werfen dem Gremium vor, „keine glaubwürdigen Beweise“ vorgelegt zu haben, die diese Änderung rechtfertigen würden.
Stattdessen empfahlen sie, Neugeborene weiter innerhalb der ersten 24 Stunden zu impfen. Auch seien Folgeimpfungen unerlässlich, um Säuglinge und Kleinkinder zu schützen. Die US-Bundesbehörde CDC gibt zwar den nationalen Impfkalender heraus. US-Bundesstaaten können allerdings entscheiden, welchen Empfehlungen sie in welchem Umfang nachkommen.
Verschiedene Fachleute warnen vor einer Rückkehr potenziell tödlicher Krankheiten, die durch Impfungen im Kindesalter als weitgehend ausgerottet galten. In diesem Jahr erlebten die USA den schlimmsten Masernausbruch seit mehr als 30 Jahren, mit mehr als 1.400 Fällen.
In den USA sind einige Impfungen wie die gegen Masern, Mumps und Röteln für die Einschulung verpflichtend, andere werden dringend empfohlen. In zahlreichen Bundesstaaten können Eltern ihre Kinder jedoch befreien lassen, etwa aus religiösen Gründen.
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