Verbände kritisieren Unter- und Fehlversorgung psychischer Erkrankungen

Köln/Berlin/Wiesbaden – Bei der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen gibt es eine Reihe von Defiziten. Darauf haben Fachgesellschaften, Krankenkassen und Psychotherapeuten anlässlich des Welttags der Seelischen Gesundheit am 10. Oktober aufmerksam gemacht.
Die Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) zufolge erhalten circa 50 Prozent aller Betroffenen keinerlei fachliche Behandlung. Psychisch Kranke seien gegenüber körperlich Erkrankten generell immer noch deutlich benachteiligt, sagte der DGSP-Experte Hans Joachim Salize, Leiter der Arbeitsgruppe Versorgungsforschung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim.
„Wenn es beispielsweise in ländlichen Regionen keine erreichbaren psychosozialen Kontakt- und Beratungsstellen für psychisch erkrankte Menschen gibt, sind diese ganz anders auf sich allein gestellt als Menschen in größeren Städten, die teilweise eine Vielzahl von Versorgungsangeboten in der Nähe haben“, ergänzte DGSP-Geschäftsführer Richard Suhre.
Auf die auch volkswirtschaftliche Belastung durch psychische Erkrankungen weisen die Betriebskrankenkassen (BKK) hin. Von den 17,7 Arbeitsunfähigkeitstagen, die beschäftigte BKK Mitglieder 2017 im Durchschnitt krankheitsbedingt nicht arbeiten konnten, gingen 2,8 Tage auf das Konto der psychischen Störungen. Damit ist diese Krankheitsart mit einem Anteil von 15,6 Prozent an allen Fehltagen bei BKK-Versicherten die zweitwichtigste Ursache nach den Muskel-Skelett-Erkrankungen mit einem Anteil von 24,7 Prozent.
Den zu häufigen Einsatz von Pharmako- und zu wenig Psychotherapie bei der Betreuung von Menschen mit Depressionen bemängelt die Psychotherapeutenkammer Hessen. „Immer mehr Menschen leiden unter Depressionen und bekommen keine langfristig wirksame Therapie, sondern lediglich Psychopharmaka verschrieben“, kritisiert die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Hessen, Heike Winter. Nach ihrer Überzeugung sollte diese Entwicklung gestoppt und nicht durch eine „gestufte und gesteuerte Versorgung“ über Hausärzte und Allgemeinmediziner weiter beschleunigt werden.
Für die Patienten sei vielmehr eine engere Zusammenarbeit von Hausärzten und Psychotherapeuten wichtig, damit die Behandlung von Depressionen künftig nicht mehr durch Medikamente dominiert werde, sondern leitliniengerecht erfolge. Für ein optimales Behandlungsergebnis bei psychischen und psychosomatischen Störungen sei deshalb wichtig, möglichst früh einen Psychotherapeuten oder einen Facharzt für Psychotherapie hinzuzuziehen, so die Psychotherapeutenkammer.
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