Verfügbarkeit neuer Arzneimittel in Deutschland sehr hoch

Berlin – „Auch nach den Änderungen durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz gibt es in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern nur eine sehr geringe Verzögerung zwischen Marktzulassung eines neuen Arzneimittels und dessen tatsächlicher Erstattungsfähigkeit.“ Dies ist eines der Ergebnisse der Studie „Arzneimittelversorgung in der GKV und 15 anderen europäischen Gesundheitssystemen“, die die Technische Universität Berlin im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes durchgeführt hat.
Die Erstattungsfähigkeit bestehe dabei für praktisch alle Produkte und je Produkt für alle zugelassenen Indikationen, während in anderen Ländern Einschränkungen auf bestimmte Indikationen häufig aufträten, erklärte Reinhard Busse von der TU, einer der Autoren der Studie, bei deren Präsentation gestern in Berlin.
Mehr als 95 Prozent der in Europa neu zugelassenen Arzneimittel seien in Deutschland in weniger als drei Monaten auf dem Markt verfügbar. In Schweden seien zum Beispiel nur 85 Prozent innerhalb von sechs Monaten verfügbar und in den Niederlanden 50 Prozent der Arzneimittel in neun Monaten. Busse räumte ein, dass die Zahlen aus dem Jahr 2012 stammten, erklärte jedoch, dass Untersuchungen einzelner Arzneimittel aus dem vergangenen Jahr zu ähnlichen Ergebnissen gekommen seien.
Deutschland hat im europäischen Vergleich hohe Arzneimittelausgaben
„Die vergleichsweise großzügige Erstattungsfähigkeit von rezeptpflichtigen Arzneimitteln sowie die verhältnisweise mäßigen Zuzahlungen spiegeln sich in sehr hohen öffentlich finanzierten Arzneimittelausgaben pro Kopf wider“, erklärte Busse. So habe Deutschland 2012 in absoluten Zahlen auf Platz 2 hinter Irland gelegen – obwohl die private Krankenversicherung dabei gar nicht berücksichtigt gewesen sei. Auch in relativen Zahlen habe Deutschland 2012 eine Spitzenposition hinter den Niederlanden und Irland belegt.
Für die Zukunft schlug Busse vor, eine „gezieltere Nutzungsteuerung bei neuen Arzneimitteln etwa durch eine Differenzierung der Erstattungsfähigkeit“ zu erwägen. Diese Meinung teilte auch der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes Johann-Magnus von Stackelberg.
„Wir halten es für sinnvoll, die Erstattungsfähigkeit eines Arzneimittels auf die Patientengruppen zu konzentrieren, für die ein Zusatznutzen belegt werden konnte“, sagte er. Heute erkläre der Gemeinsame Bundesausschuss häufig einen Zusatznutzen nur für eine bestimmte Patientengruppe. „Der Erstattungsbetrag gilt aber auch für die anderen Patientengruppen, für die das Medikament gar keinen Zusatznutzen hat“, so von Stackelberg. „Wir meinen, die Gruppe, die gar keinen Zusatznutzen hat, sollte künftig aus der Erstattungsfähigkeit herausgenommen werden.“
GKV-Spitzenverband: Genotyp der Patienten auf Gesundheitskarte speichern
Denn der heute kalkulierte Mischpreis für die neuen Arzneimittel mit Zusatznutzen liege für die Gruppen zu hoch, in denen das Medikament nicht besser wirke als die Vergleichstherapie, und in den Gruppen zu niedrig, in denen es einen Zusatznutzen entfalte.
Um ein Arzneimittel nur für manche Patienten aus der Erstattungsfähigkeit herauszunehmen, bedürfte es jedoch nicht nur einer Gesetzesänderung, sondern den Krankenkassen müsste es auch ermöglicht werden, die einzelnen Patientengruppen zu identifizieren. Von Stackelberg schlug vor, zu diesem Zweck den Genotyp der Patienten auf der elektronischen Gesundheitskarte zu speichern. Nur der Arzt und die Krankenkasse dürften diese Information allerdings entschlüsseln dürfen, nicht der Apotheker oder die Familie des Patienten.
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