Verhaltensbezogene Tarife sind für Krankenversicherte kein rotes Tuch

Köln – Krankenversicherte stehen sogenannten Telematik-Tarifen zwar grundsätzlich kritisch gegenüber, lehnen diese aber nicht kategorisch ab. Das ist ein Ergebnis einer Studie von Horst Müller-Peters vom Institut für Versicherungswesen der Technischen Hochschule Köln. Müller-Peters hat sie zusammen mit Fred Wagner von der Universität Leipzig in der Publikation „Geschäft oder Gewissen? Vom Auszug der Versicherung aus der Solidargemeinschaft“ veröffentlicht.
„Telematik-Tarife“ sind eine Verbindung von Versicherungstarifen mit elektronisch erfassten Daten über das Verhalten der Menschen. Sie eröffnen der Versicherungsbranche neue Möglichkeiten. So lässt sich zum Beispiel elektronisch erfassen, wie risikoreich ein Autofahrer im Straßenverkehr agiert und sich daraus ein individueller Tarif bestimmen. An der Kölner Studie nahmen 1.070 repräsentativ gewichtete Personen teil. Schwerpunkt der Fragen war neben der Kfz- auch die Krankenversicherung.
Der Großteil der Befragten unterscheidet zwischen leicht beeinflussbaren sowie nicht oder nur schwer veränderbaren Merkmalen. So werden unter anderem die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen sowie Tabak- und Alkoholkonsum als gerechte Merkmale für individuelle Tarife empfunden. Vererbte Krankheiten, genetisch bedingte Risiken oder der ausgeübte Beruf allerdings nicht.
„Natürlich ist die Einschätzung von Gerechtigkeit höchst subjektiv. So halten es nur 13 Prozent der befragten Raucher für gerecht, wenn rauchende Versicherte einen Aufschlag bezahlen müssen, während über 70 Prozent der Nichtraucher dies gerecht finden“, erläuterte Müller-Peters. „Unsere Ergebnisse zeigen auch, dass die Versicherten bei der Krankenversicherung etwas skeptischer sind gegenüber telematischen Merkmalen, als bei der Kfz-Versicherung“, so der Wissenschaftler.
Das korrespondiere mit ihren Bewertungen der verschiedenen Versicherungsbranchen. So halten es 68 Prozent der Befragten für legitim, wenn eine Autoversicherung Gewinne erwirtschaftet, aber nur 36 Prozent bei der Krankenkasse. Bei der Frage, ab wie viel Prozent Ersparnis die Befragten einen Telematik-Tarif abschließen würden, ähneln sich die Ergebnisse für die Kfz- und die Krankenversicherung. Jeweils etwas mehr als 30 Prozent der Befragten wären zu einem Tarifwechsel bereit – ab einem Preisvorteil von 30 Prozent. „Allerdings gibt es auch eine relativ große Gruppe, die unter keinen Umständen einen solchen Tarif abschließen würde: Bei der Kfz-Versicherung sind das 31 Prozent, bei der Krankenversicherung 38 Prozent“, so Müller-Peters.
Bei der Krankenversicherung sprechen sich 53 Prozent der Befürworter für ein Fitnessarmband aus, 45 Prozent für eine intelligente Armbanduhr, um die entsprechenden Daten zu erheben. Selbst ein Chip unter der Haut kommt für zwölf Prozent der Befragten infrage.
Politik und Ärzteschaft haben sich in der Vergangenheit immer wieder deutlich gegen Telematik-Tarife in der Krankenversicherung ausgesprochen. So warnte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, bei einer Veranstaltung im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vergangenen Sommer in Bonn die Krankenkassen davor, mit dem Smartphone erhobene Daten zu verwenden, um individualisierte Krankenversicherungstarife zu entwickeln.
„Das wäre eine Entsolidarisierung in der Krankenversicherung, die wir auf keinen Fall zulassen können“, sagte er. Er griff damit eine Warnung des 119. Deutschen Ärztetages und der Bundesärztekammer auf. Die Ärztetags-Delegierten hatten unter anderem davor gewarnt, Daten aus Gesundheits-Apps in der geplanten elektronischen Patientenakte zu sammeln und diese von den Krankenkassen verwalten zu lassen.
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