Verordnung cannabisbasierter Arzneimittel: Fachgesellschaft gibt Praxishinweise

Berlin – Seit Oktober dürfen Ärztinnen und Ärzte mit 16 Facharzt- und Schwerpunktbezeichnungen Cannabisarzneimittel ohne vorherigen Antrag auf Kostenübernahme bei den Krankenkassen verordnen. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) informiert über die Anwendung der neuen Regelung in der Praxis.
Laut dem Vizepräsidenten der DGS, Michael Überall, bedeutet die neue Regelung eine deutliche Erleichterung für die Versorgung schwerstkranker Schmerzpatienten, weil bürokratische Hürden wegfielen und die Betroffenen daher schneller Zugang zu einer möglicherweise wirksamen Therapie erhielten. „Denn der Einsatz von cannabisbasierten Arzneimitteln zeigt bei einigen Schmerzerkrankungen und Schmerzpatienten eine gute Wirksamkeit auch beziehungsweise gerade dann, wenn andere Therapien zuvor versagt haben“, sagte er.
Bedingung für die Indikationsstellung zur Therapie mit Cannabisarzneimitteln sind nach wie vor schwerwiegende Erkrankungen, die mit einer dauerhaften Einschränkung der Lebensqualität einhergehen, wie neuropathische Schmerzen. Auch die Einsparung von Opioiden gilt als sinnvolle Indikation für die Verordnung cannabisbasierter Arzneimittel. Eine gute Dokumentation der Verordnungsbegründung sowie die Berücksichtigung möglicher Wechselwirkungen sind wichtig. Bei Unsicherheit gibt es zudem die Möglichkeit, die Verordnung auch weiterhin freiwillig vorab genehmigen zu lassen.
Laut der DGS-Expertin Angelika Hilker, niedergelassene Schmerztherapeutin aus Bochum, lassen sich gerade bei älteren Schmerzpatienten mit cannabisbasierten Arzneimitteln der Opioide reduzieren. „Ein Therapieversuch mit cannabisbasierten Arzneimitteln ist bei älteren Schmerzpatienten unter Opioiden aufgrund der synergistischen Wirkungen zwischen Endocannabinoid- und Endorphinsystem häufig sinnvoll. Wirksam und sinnvoll ist der Einsatz dann, wenn sich die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten verbessert“, so Hilker.
Beim Einsatz von cannabisbasierten Arzneimitteln sind laut der DGS mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln zu beachten. Beispielsweise kann die Wirkung von Clobazam, Tacrolimus oder Warfarin verstärkt werden. Andere Stoffe wie Ketoconazol, Rifampicin oder Johanniskraut beeinflussen hingegen den Abbau von THC. Um Nebenwirkungen medizinischer Cannabinoide zu minimieren, ist laut er DGS die orale Gabe aufgrund der langsameren Anflutung im Zentralnervensystem der inhalativen Zufuhr vorzuziehen. Außerdem sei ein langsames Aufdosieren der cannabisbasierten Arzneimittel empfehlenswert.
„Cannabisbasierte Arzneimittel haben dann ihren Stellenwert, wenn sie die Lebensqualität schwerkranker Schmerzpatientinnen und -patienten verbessern und den Analgetika-Verbrauch senken. Allerdings sind zum Schutz vor Regressen eine gute Dokumentation und die Berücksichtigung möglicher Wechselwirkungen wichtig“, hieß es aus der Fachgesellschaft.
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