Vertragsärzte machen Lauterbach für Vertrauensverlust verantwortlich
Berlin – Die Zufriedenheit mit dem Gesundheitswesen ist in den vergangenen zwei Jahren deutlich gesunken. Das zeigte gestern eine Allensbach-Umfrage. Für die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) wird damit deutlich, dass es „höchste Zeit“ ist, den „schleichenden Zerfall des Gesundheitswesens zu stoppen“. Auch die Ärztekammer Niedersachsen sieht Handlungsbedarf.
„Wir brauchen eine Kehrtwende in der Gesundheitspolitik“, mahnte heute KBV-Chef Andreas Gassen an. Die Ergebnisse der Umfrage sprächen für sich – auch wenn das Vertrauen der Bevölkerung in Ärzte und Psychotherapeuten ungebrochen hoch sei.
Die KBV betonte, man warne seit Jahren vor einem Kollaps und fordere mit konkreten und sinnvollen Maßnahmen die Rettung der Praxen. „Doch in der Politik stoßen wir damit auf taube Ohren“, sagte Gassen. „Dass nur innerhalb von zwei Jahren der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, die noch mit dem Gesundheitssystem zufrieden sind, von 81 auf 67 Prozent zurückgegangen ist, sollte die Bundesregierung mehr als alarmieren.“
Gassen prognostiziert, dass die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplanten Gesetze diesen Abwärtstrend massiv beschleunigen werden – und auch schon befeuert hätten. Die Gründe liegen für ihn auf der Hand.
„Wenn der Minister an seinem Kurs festhält, werden die Bürgerinnen und Bürger künftig mit ihren Beschwerden einen Gesundheitskiosk aufsuchen oder zur ambulanten Behandlung ins Krankenhaus gehen müssen. Das genau wollen sie nicht. Und die Unzufriedenheit wird steigen“, warnte Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender.
Befragungen von Versicherten in der Vergangenheit hätten stets eine sehr hohe Zufriedenheit mit der ambulanten Versorgung durch die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten gezeigt. „Es ist unverständlich, warum der Minister viel Geld in neue Strukturen versenken will, statt die Praxen zu stärken“, so Hofmeister.
„Unsere Forderungen und Lösungsvorschläge, wie eine Kehrtwende gelingen kann, liegen seit langem auf dem Tisch“, sagte Vorstandsmitglied Sibylle Steiner. „Sie decken sich in großen Teilen mit den Maßnahmen, von denen sich auch die Bürgerinnen und Bürger laut Umfrage eine Stärkung des Gesundheitswesens versprechen.“
Dazu zählten die Entlastung von Ärzten durch weniger Bürokratie und Dokumentationspflichten, mehr Medizinstudienplätze und eine gezielte Verbesserung der Versorgung in ländlichen Regionen. „Gehen Sie endlich die Probleme im Sinne der Menschen in unserem Lande an und bauen Sie das Gesundheitswesen nicht länger im Alleingang um“, forderten die drei Vorstände den Minister auf.
„Die Zahlen sind alarmierend“, sagte auch die stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), Marion Charlotte Renneberg. An ihnen lasse sich ablesen, was viele Patienten in ihrer Versorgung erlebten.
„Wir müssen die Abläufe in unserem Gesundheitssystem dringend effizienter gestalten, um die hohe Qualität, zu der wir ausgebildet und ausgerüstet sind, auch wirksam werden zu lassen. Nur so können wir Engpässe in der Patientenversorgung überwinden und Vertrauen zurückgewinnen,“ betonte Renneberg.
Eine zentrale Herausforderung sieht die ÄKN in den stetig wachsenden bürokratischen Anforderungen. „Unsere Kammerversammlung hat dazu bereits im vergangenen Dezember einstimmig gefordert: Wir benötigen eine gesetzliche Verpflichtung, die Folgen neuer bürokratischer Vorgänge im Vorfeld abzuschätzen,“ so Renneberg.
Jede neue Regelung soll dadurch in zweifacher Hinsicht überprüft werden: Zum einen, wie hoch der damit verbundene Verwaltungsaufwand sei und zum anderen, inwieweit er in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehe.
Eine weitere Ursache für eine verminderte Leistungsfähigkeit sei die immer noch schleppende Digitalisierung der notwendigen Prozesse. „Neue Dienstleistungen wie E-Rezept und elektronische Patientenakte sind Schritte in die richtige Richtung. Aber wir kommen insgesamt nicht schnell genug voran, das Potenzial der Digitalisierung zur Stärkung unseres Gesundheitssystems voll auszuschöpfen,“ sagte Renneberg.
Für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem ist der ÄKN zufolge auch die Verfügbarkeit ärztliche Nachwuchskräfte entscheidend. Problematisch sei, dass die Zahl der Medizinstudienplätze in Niedersachsen nicht ausreichend bemessen sei.
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