Medizin

Viele Bluttransfusionen bei Herzoperationen könnten vermieden werden

  • Donnerstag, 16. November 2017
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Toronto – Eine restriktive Strategie, die Bluttransfusionen bei Herzoperationen auf Patienten mit einem deutlichen Abfall des Hämoglobinwerts beschränkt, hat in einer weltweiten Studie das Risiko schwerer Komplikationen nicht erhöht. Dies zeigen die jetzt auf der Tagung der American Heart Association im kalifornischen Anaheim vorgestellten und im New England Journal of Medicine (2017; doi: 10.1056/NEJMoa1711818) publizierten Ergebnisse.

Bei Herzoperationen kommt es zu einem erhöhten Blutverlust, der häufig den Einsatz von Blutkonserven erforderlich macht. In der Vergangenheit wurde die Indikation in den meisten Zentren großzügig gestellt, da jede Anämie, vor allem in der post­operativen Phase, das Leben des Patienten gefährdet. In den letzten Jahren wurde jedoch erkannt, dass Bluttransfusionen nicht ohne Risiken sind. So kann eine „transfu­sions­assoziierte Immunomodulation oder TRIM das Infektionsrisiko erhöhen. Die transfu­sions­assoziierte akute Lungeninsuffizienz (TRALI) ist eine seltene, aber lebensgefährliche Komplikation. 

In vielen Bereichen setzen Ärzte Bluttransfusionen deshalb inzwischen zurück­haltender ein. Die TRICS III-Studie („Transfusion Requirements in Cardiac Surgery“) hat untersucht, ob eine restriktive Strategie auch in der Kardiochirurgie möglich ist.

An der Studie beteiligten sich in 19 Ländern 74 Zentren (darunter die Berliner Charité und die Universität Giessen). Insgesamt 5.243 erwachsene Patienten, die sich zumeist einer Bypass-Operation und/oder einem Klappenersatz unterzogen, wurden nach dem Los zwei Strategien zugeordnet. Es handelte sich um Patienten mit einem moderat bis stark erhöhten Operationsrisiko. Der EuroSCORE I betrug im Mittel 7,9 auf einer Skala von 0 bis 47, wobei höhere Werte ein höheres Sterberisiko anzeigen.

Die restriktivere Strategie sah vor, dass die Patienten erst dann Erythrozyten­konzentrate erhielten, wenn der Hämoglobinwert (Hb) auf unter 7,5 g/dl abgefallen war. Unter dieser Strategie erhielten 52,3 Prozent der Patienten median zwei Konserven. Die liberale Strategie erlaubte eine Transfusion, wenn der Hb-Wert im OP beziehungsweise auf der Intensivstation auf unter 9,5 g/dl oder auf der Normalstation auf unter 8,5 g/dl abgefallen war. Unter dieser Strategie wurden an 72,5 Prozent der Patienten median drei Konserven verabreicht.

Der primäre Endpunkt der Studie war ein Composite aus Tod, Myokardinfarkt, Schlag­anfall oder einem dialysepflichtigen Nierenversagen am Tag der Entlassung oder nach 28 Tagen.

Eine dieser Komplikationen trat unter der restriktiven Strategie bei 11,4 Prozent der Patienten auf gegenüber 12,5 Prozent der Patienten unter der großzügigeren Gabe. Wie David Mazer vom St. Michael's Hospital in Toronto und Mitarbeiter berichten, war die absolute Risikodifferenz von 1,11 Prozentpunkten mit einem 95-Prozent-Konfidenz­intervall von minus 2,93 bis 0,72 nicht signifikant. Die Odds Ratio von 0,90 (0,76 bis 1,07) schließt weitgehend aus, dass ein Nachteil der restriktiveren Strategie im den primären Endpunkt übersehen wurde.

Auch bei der Mortalität war kein wesentlicher Unterschied erkennbar. In der Gruppe mit der restriktiven Strategie starben 3,0 Prozent der Patienten, unter der groß­zügigeren Strategie waren es 3,6 Prozent. Mazer gibt die Odds Ratio mit 0,85 an. Das 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,62 bis 1,16 bedeutet unter der ungünstigsten Annahme, dass die restriktive Strategie die Sterblichkeit um 16 Prozent erhöht. Es ist jedoch auch möglich, das sie einigen Patienten das Leben gerettet hat. 

Auch in den sekundären Endpunkten war kein Nachteil der restriktiven Strategie erkennbar und die Subgruppen-Analyse liefert keine Hinweise, bei welchen Patienten eine großzügigere Gabe von Blutkonserven vorteilhaft sein könnte.

rme

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