Vorstandschef der KV Sachsen vom Amt entbunden

Dresden – Nach einem umstrittenen Leitartikel zum Thema Humangenetik hat die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztliche Vereinigung Sachsen (KVS) ihren Vorstandsvorsitzenden Klaus Heckemann von seinem Amt entbunden. Bis zur Wahl einer Nachfolge wird die KVS von der stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden, Sylvia Krug, geführt.
Bei einer Sondersitzung der VV stimmten gestern Abend 28 der 37 Teilnehmer für einen entsprechenden Antrag, wie die KVS mitteilte. Zuvor hatte es eine ausführliche Diskussion von mehreren Stunden gegeben, in der Klaus Heckemann angehört worden sei, hieß es. Eine Mehrheit sah am Ende aber das Vertrauensverhältnis als nachhaltig gestört an. Man fühle sich nicht mehr entsprechend der Verantwortung des Amtes vertreten.
Der Vorsitzende der Vertreterversammlung, Stefan Windau, betonte nach der Entscheidung, dass ein Neuanfang unumgänglich sei. „Die KV Sachsen hat in den vergangenen Tagen bundesweit breit angelegte Kritik auf sich gezogen, die der Hauptausschuss ebenso wie viele KVS-Mitglieder teilen. Das Vertrauen zwischen Selbstverwaltung und Vorstand wurde erneut schwer erschüttert.“ Die Vertreterversammlung würdigte dennoch die vielfachen Verdienste von Heckemann und dankte ihm für die jahrelange engagierte Arbeit.
Hintergrund der Absetzung ist ein Vorwort Heckemanns in der Juni-Ausgabe der „KVS-Mitteilungen“. Darin hatte dieser eine Zukunftsvision skizziert und betont: „Ganz deutlich: Dies ist eine Vision, die möglich wird, wenn genetische Untersuchungen sehr viel preiswerter zu erbringen sind. Die gesellschaftliche und ethische Diskussion darüber ist natürlich vorher zu führen!“
In dem Szenario hatte er unter anderem ein Kosten-Nutzen-Abwägung von humangenetischen Untersuchungen von Schwangeren – mit entsprechenden möglichen Konsequenzen – dargestellt. Dabei schrieb er auch, „besonders das Leid der betroffenen Eltern könnte vermieden werden“.
Am Ende betonte er: „Aber auch wenn das skizzierte Procedere die Diskussion eines ansonsten möglicherweise erforderlichen Abruptio generell obsolet macht, werden auch ethische Aspekte berührt, denn die Nutzung einer solchen Chance wäre natürlich zweifellos Eugenik. Allerdings in ihrem besten und humansten Sinn.“
Zum heutigen Zeitpunkt gebe es „allerdings noch gar nicht die Notwendigkeit, diese Diskussion zu führen, denn eine solche Idee würde momentan noch an den immensen Kosten scheitern. Das muss jedoch nicht so bleiben“, schrieb Heckemann.
„Eugenik“ steht für die Lehre der vermeintlich guten Erbanlagen. Die Nationalsozialisten verübten unter dem Deckmantel dieses Begriffs Massenmorde an behinderten Menschen zum Zweck der vermeintlichen „Erb- und Rassenhygiene“.
Die Wortwahl und Ansichten dieser „Zukunftsvision“ des KVS-Chefs waren auf heftige Kritik gestoßen. Unter anderem beim Gesundheitsministerium in Sachsen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Ärzteverbänden und Fachgesellschaften und Betroffenenverbänden sowie auch der VV der KV Sachsen. Diese hatte daraufhin eine Sondersitzung einberufen.
Bei der KVS-Vertreterversammlung verabschiedeten die Mitglieder neben der Entbindung Heckemanns aus seinem Amt einstimmig eine Resolution, in der sie sich uneingeschränkt zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen. Diese umfasse die Achtung der Menschenwürde, das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit.
„Unser Wirken basiert auf Humanität und Gleichbehandlung, empathisch und mit dem Respekt vor den Bedürfnissen anderer. Unsere Hausärzte, Fachärzte und Psychotherapeuten üben ihren Beruf nach ihrem Gewissen, den Geboten der ärztlichen Ethik und der Menschlichkeit aus“, heißt es darin.
Im Bewusstsein, dass man in Deutschland eine besondere historische Verantwortung habe, trete man „Rassismus, Diskriminierung und einer Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus entschieden entgegen.“
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