Vorstoß zu Sex auf Rezept für Pflegebedürftige stößt auf Kritik

Berlin – Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, ist mit ihrem Vorschlag zu geförderten sexuellen Dienstleistungen für Pflegebedürftige und Behinderte auf Kritik – auch in der eigenen Partei – gestoßen.
Die Idee sei „abwegig“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach der Bild. „Wir brauchen keine bezahlte Prostitution in Altersheimen, schon gar nicht auf Rezept. Was wir brauchen, ist mehr Intimität für die Heimbewohner.“ Der Grünen-Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, wertete den Vorschlag als schädlich für die Partei im Wahljahr.
„Kann man denn als Bundestagsabgeordnete gut gemeinte Ideen nicht einfach mal im Koffer lassen, wenn sie so offensichtlich dazu dienen können, uns als weltfremde Spinner abzustempeln?“, schrieb Palmer auf seiner Seite bei Facebook.
Der Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg, Professor an der Hochschule Nordhausen, bezeichnete das Konzept laut Berliner Zeitung als „menschenverachtend“. Es gehe darum, Menschen durch sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen zu wollen, damit sie pflegeleichter sein, sagte er. Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält wenig von dem Grünen-Vorstoß. Den Betroffenen sei damit nicht geholfen, sagte deren Vorstand Eugen Brysch. „Wer täglich damit zu kämpfen hat, beim Stuhlgang, Waschen und Essen Hilfe zu erhalten, hat andere Sorgen.“
Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums erklärte der Zeitung: „Wir haben gerade erst eine große Pflegereform mit einer Ausweitung der Leistungen in Kraft gesetzt.“ Darin würden nicht zuletzt demente Patienten besser gestellt. Das sei für sich genommen schon eine Antwort. Im Übrigen richte sich die Forderung an die Kommunen, erklärte sie.
Scharfenberg hatte in der Welt am Sonntag angeregt, eine Sexualassistenz für Pflegebedürftige mit Steuergeld von Städten oder Gemeinden zu fördern. „Die Kommune könnte über entsprechende Angebote vor Ort beraten und Zuschüsse gewähren“, sagte die Politikerin.
Vorbild seien die Niederlande, wo es bereits seit einigen Jahren die Möglichkeit gebe, sich als Pflegebedürftiger die Dienste sogenannter Sexualassistentinnen – zertifizierter Prostituierter – bezahlen zu lassen. Die Voraussetzungen hierfür seien jedoch streng: Die auf staatliche Unterstützung angewiesenen Betroffenen müssten per ärztlichem Attest nachweisen, sich nicht auf andere Weise befriedigen zu können.
In Deutschland wirbt die Beratungsstelle Pro Familia seit Jahren dafür, zu klären, ob sich Ansprüche einzelner auf Finanzierung der Sexualassistenz durch die Krankenkassen, die Sozialhilfe- oder andere staatliche Leistungsträger ableiten lassen. Nach Einschätzung von Experten wünschen sich viele Männer und Frauen mit Behinderungen sexuelle Dienstleistungen.
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