Politik

Vorstoß zu Sex auf Rezept für Pflegebedürftige stößt auf Kritik

  • Montag, 9. Januar 2017
Uploaded: 07.07.2016 16:41:26 by maybaum
/dpa

Berlin – Die pflegepolitische Sprecherin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg, ist mit ih­rem Vorschlag zu geförderten sexuellen Dienstleistungen für Pflegebedürftige und Be­hinderte auf Kritik – auch in der eigenen Partei – gestoßen.

Die Idee sei „abwegig“, sagte SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach der Bild. „Wir brau­chen keine bezahlte Prostitution in Altersheimen, schon gar nicht auf Rezept. Was wir brau­chen, ist mehr Intimität für die Heimbewohner.“ Der Grünen-Oberbürgermeister von Tü­bingen, Boris Palmer, wertete den Vorschlag als schädlich für die Partei im Wahljahr.
„Kann man denn als Bundestagsabgeordnete gut gemeinte Ideen nicht einfach mal im Koffer lassen, wenn sie so offensichtlich dazu dienen können, uns als weltfremde Spin­ner abzustempeln?“, schrieb Palmer auf seiner Seite bei Facebook.

Der Pflegeforscher Wilhelm Frieling-Sonnenberg, Professor an der Hochschule Nord­hau­sen, bezeichnete das Konzept laut Berliner Zeitung als „menschenverachtend“. Es gehe darum, Menschen durch sexuellen Druckabbau wieder funktionstüchtig machen zu woll­en, damit sie pflegeleichter sein, sagte er. Auch die Deutsche Stiftung Patienten­schutz hält wenig von dem Grünen-Vorstoß. Den Be­troffe­nen sei damit nicht geholfen, sagte de­ren Vor­stand Eugen Brysch. „Wer täglich da­mit zu kämpfen hat, beim Stuhl­gang, Wa­schen und Essen Hilfe zu erhalten, hat andere Sorgen.“

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums erklärte der Zeitung: „Wir haben gerade erst eine große Pflegereform mit einer Ausweitung der Leistungen in Kraft ge­setzt.“ Darin würden nicht zuletzt demente Patienten besser gestellt. Das sei für sich ge­nommen schon eine Antwort. Im Übrigen richte sich die Forderung an die Kommu­nen, er­klärte sie.

Scharfenberg hatte in der Welt am Sonntag angeregt, eine Sexualassistenz für Pflege­be­­dürftige mit Steuergeld von Städten oder Gemeinden zu fördern. „Die Kommune kön­nte über entsprechende Angebote vor Ort beraten und Zuschüsse gewähren“, sagte die Politikerin.

Vorbild seien die Niederlande, wo es bereits seit einigen Jahren die Möglich­keit gebe, sich als Pflegebedürftiger die Dienste sogenannter Sexualassistentinnen – zertifizierter Prostituierter – bezahlen zu lassen. Die Voraussetzungen hierfür seien je­doch streng: Die auf staatliche Unterstützung angewiesenen Betroffenen müss­ten per ärztlichem Attest nachweisen, sich nicht auf andere Weise befriedigen zu könn­en.

In Deutschland wirbt die Beratungsstelle Pro Familia seit Jahren dafür, zu klären, ob sich Ansprüche einzelner auf Finanzierung der Sexualassistenz durch die Krankenkassen, die Sozialhilfe- oder andere staatliche Leistungsträger ableiten lassen. Nach Einschät­zung von Experten wünschen sich viele Männer und Frauen mit Behinderungen sexuelle Dienst­leistungen.

dpa/afp

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