Politik

Wagenknecht-Partei will sich gegen Privatisierungen im Gesundheitswesen einsetzen

  • Montag, 8. Januar 2024
Sahra Wagenknecht kommt zur Vorstellung der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) in der Bundespressekonferenz. /picture alliance, Bernd von Jutrczenka
Sahra Wagenknecht kommt zur Vorstellung der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“ (BSW) in der Bundespressekonferenz. /picture alliance, Bernd von Jutrczenka

Berlin – Die neu gegründete Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ will sich gegen Privatisierungen im Gesundheitswesen einsetzen und Expertenräte gründen, um Verfehlungen der Politik während der COVID-19-Pandemie aufzuarbeiten. Das erklärte die Parteiführung heute in Berlin.

Die ehemalige Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat heute Vormittag mit 43 Mitstreiterinnen und Mitstrei­tern ihre eigene Partei gegründet. Den Vorsitz übernimmt sie gemeinsam mit der ehemaligen Vorsitzenden der mittlerweile aufgelösten Linken-Fraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali.

Bei vier Wahlen will die Partei in diesem Jahr antreten, neben den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen auch bereits bei der Europawahl im Juni. Spitzenkandidaten für die Wahl zum Europaparlament sind der ehemalige linke Finanzpolitiker Fabio de Masi sowie Thomas Geisel, von 2016 bis 2020 für die SPD Oberbürgermeister von Düsseldorf. Wagenknecht selbst wolle weder zur Europa- noch zu den Landtagswahlen antreten, sagte sie.

Bis zur Europawahl habe die Partei noch programmatische Arbeit vor sich, sie werde für fachpolitische Themen Expertenräte gründen und sich externe Expertise hinzuholen, aber auch in den Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern gehen. „Wir streben an, mittelfristig eine Volkspartei zu werden“, erklärte de Masi.

Bereits auf der BSW-Liste für die Europawahl würden sich auch Kandidaten finden, „die gesundheitspolitische Fachkompetenz repräsentieren“, unterstrich er, wollte allerdings noch keine Namen nennen.

In der Gesundheitspolitik brauche es einen grundlegenden Kurswechsel, erklärte auch Mohamed Ali. „Wir haben in der Tat ein Gesundheitswesen, das nicht dafür sorgt, dass jeder Mensch eine gute Versorgung erhält“, sagte sie. Grundproblem sei die zunehmende Privatisierung und Ökonomisierung, weshalb auch von den Reformen, die Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) anstrebe, nicht viel zu erwarten sei.

„Herr Lauterbach ist einer der geistigen Väter des Fallpauschalensystems, das diese Zustände verursacht hat“, er­klärte Mohamed Ali. „Was er erreichen wird, ist, dass noch mehr Kliniken schließen müssen und sich die Versor­gung noch weiter verschlechtert.“

BSW werde sich dafür einsetzen, dass die Finanzierung des Krankenhaussystems so gestaltet wird, dass es nicht mehr nur um die Masse der Eingriffe gehe. Auch in der ambulanten Versorgung und in der Pflege dürften Profit­interessen keine Rolle mehr spielen.

Einen großen Aufarbeitungsbedarf sieht die Parteiführung beim Handeln der Politik in der Coronakrise. Zahl­reiche Menschen hätten sich speziell mit diesem Thema an das Bündnis gewandt, erklärte Wagenknecht: „Ich halte es deshalb für falsch, wenn man das abhakt.“ Die Partei plane, einen Expertenrat dazu einzusetzen.

Die Bundes- und die Landesregierungen hätten damals massive Grundrechtseingriffe vorgenommen, obwohl es an ausreichenden Belegen für die Gefahr gefehlt habe. Insbesondere Ungeimpfte hätten massive Einschränkun­gen ertragen müssen. Politiker hätten sich selektiv beraten lassen, was zu falschen Entscheidungen geführt habe.

Schulschließungen beispielsweise seien in Deutschland sehr viel umfangreicher verhängt worden als in ande­ren Ländern. „Das hat eine ganze Generation von Kindern zunächst einmal herausgedrängt“, sagte Wagenknecht. „Es ist für künftige Krisen wichtig, dass so etwas nicht nochmal passiert.“

Auch habe die Pandemie die Missstände im Gesundheitswesen, insbesondere bei der Pflege, sichtbar gemacht, ohne dass daraus Schlussfolgerungen gezogen worden oder gar gehandelt worden sei. „Die Situation in den Krankenhäusern ist genau so wie vor der Pandemie, wenn nicht noch schlechter“, unterstrich sie.

Zudem gäbe es rund um die COVID-19-Impfungen noch zahlreiche offene Fragen zu Beschaffung, Wirksamkeit und Nebenwirkungen, die untersucht werden müssten. „Wir haben heute noch einen Gesundheitsminister, der in diesem Zusammenhang nachweislich Dinge erzählt hat, die nicht zutreffend waren“, erklärte Wagenknecht.

De Masi betonte, sich auf europäischer Ebene dafür einsetzen zu wollen, die intransparente Beschaffung der COVID-19-Impfstoffe durch die EU-Kommission aufzuarbeiten. Außerdem sei die Polarisierung durch die Pan­demiemaßnahmen bis heute ein Spaltpilz in der Gesellschaft.

„Entweder man hört jeden Morgen den Drosten-Podcast oder man ist kategorisch gegen sämtliche Maßnah­men“, sagte er. Diese Spaltung müsse zugunsten einer differenzierten Betrachtung überwunden werden.

Für den 27. Januar ist der erste Parteitag in Berlin angesetzt. Danach will sich das BSW auf die vier Wahlkämpfe in diesem Jahr konzentrieren. Besonders von der Europawahl im Juni erhoffe sie sich eine „bundespolitische Signalwirkung“.

Bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 soll die Partei ein komplettes Programm vorlegen und nach der Wahl einen neuen Namen erhalten, der „unabhängig von meinem Namen ist“, sagte Wagenknecht. Etablieren solle sich die Partei perspektivisch für „die nächsten 20, 30, 40 Jahre“.

lau/dpa/afp

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