Warnungen vor Versorgungsengpässen in Pflege wegen Impfpflicht

Berlin – Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist in Kraft – und die Sorgen um mögliche Personalmängel insbesondere in der Pflege bestehen weiter. Die Debatte darüber ist noch nicht zu Ende.
„Wir sind sehr besorgt, weil Versorgungsengpässe drohen, wenn flächendeckend Betretungsverbote für ungeimpftes Personal ausgesprochen werden“, sagte heute der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (BPA), Bernd Meurer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Er glaubt, es werde Pflegeheime geben, die dann Bewohner nicht mehr versorgen könnten. Schon jetzt bestehe ein riesiger Fachkräftemangel. Viele Fragen seien noch unklar, bemängelte er. „Ich muss als Arbeitgeber zum Beispiel verbindlich wissen, was die arbeitsrechtlichen Folgen sind: Darf man kündigen? Und welche Haftungsansprüche gibt es, bis das Gesundheitsamt entschieden hat?“, so Meurer.
Heimen, die ungeimpfte Personen nach dem 16. März weiterbeschäftigen, um die Versorgung zu gewährleisten, drohe ein Rechtsrisiko. „Was, wenn es dann zu einem Ausbruch kommt und ein Angehöriger den Betreiber deshalb verklagt?“, fragte Meurer. „Der Gesetzgeber muss doch gewährleisten, dass die von ihm angeordneten Maßnahmen auch umsetzbar sind. Und das ist bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht derzeit nicht der Fall.“
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte heute, mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht würden „überzogene Erwartungen geweckt, die nur enttäuscht werden können“. Mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht werde die Pandemie in der Alten- und Krankenpflege nicht beherrschbar, sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch. „Denn die derzeitigen Vakzine können die Verbreitung der aktuellen Variante kaum stoppen. So bleibt es ein gefährliches Spiel mit Leib und Leben, solange sich infizierte und nicht infizierte Heimbewohner ein Zimmer teilen müssen.“
Das passiere aktuell immer wieder, da die Verantwortlichen vor Ort sich darauf beriefen, dass die Infizierten geboostert und daher nicht gefährdet seien, mahnte Brysch. Notwendig wäre es vielmehr, Infizierte und nicht Infizierte strikt voneinander zu trennen. Im Pflegeheim sei das praktisch nicht möglich, da dort keine Leerbetten vorgehalten würden. Dafür brauche es lokale Ausweichquartiere.
„Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen, selbst Hotels müssen in der Lage sein, diesen Part zu übernehmen“, forderte der Patientenschützer. Ohne eine kurzfristig eingesetzte externe medizinisch-pflegerische Taskforce werde das nicht gelingen. Dafür brauche es eine gesetzliche Grundlage. „Stattdessen führt die berufsbezogene Impfpflicht in der Alten- und Krankenpflege, in Arztpraxen, bei der Feuerwehr sowie im Rettungsdienst dazu, den Personalmangel in den sensibelsten Bereichen zu verschärfen“, kritisierte Brysch.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) rechnet damit, dass die Bearbeitung der Meldungen in den Ämtern und die sich gegebenenfalls anschließenden Anhörungen bis in den Sommer hinziehen werden. „Es wird ab dem 16. März nicht sofort zu Betretungs- oder Beschäftigungsverboten für die Mitarbeiter in den Einrichtungen kommen“, stellte der Vorsitzende des BVÖGD, Johannes Nießen, klar.
Er geht davon aus, dass es Betretungsverbote geben wird. „Wir rechnen aber nicht damit, dass diese die Versorgung flächendeckend gefährden“, sagte Nießen. Dafür sei die Impfquote beim medizinischen Personal insgesamt zu hoch. Dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch in der Omikron-Welle und gegen die BA.2-Variante hilft, glaubt er nicht. Sie sei aber wichtig, damit im kommenden Herbst und Winter vulnerable Gruppen geschützt seien.
Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) rechnet nicht damit, dass die Impfpflicht in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu Personalengpässen in Berlin führt. „In Berlin sind sehr viele Menschen im Gesundheitswesen geimpft – mehr als sonst im Durchschnitt“, sagte Gote heute dem RBB-Inforadio. Sollten dennoch in einem Betrieb Engpässe drohen, werde es eine Übergangsfristen geben, so Gote.
Gemeinsam mit den Einrichtungen und den betroffenen Mitarbeitenden würden die Gesundheitsämter im Notfall nach Auswegen suchen, wie der Betrieb aufrechterhalten werden könne. Gote zeigte sich überzeugt, dass dies „mit Augenmaß“ erfolge. „Also da muss sich wirklich kein Berliner oder keine Berlinerin Sorgen machen, dass hier irgendwas zusammenbricht“, so Gote.
Mit Konsequenzen wie Bußgeld oder Tätigkeitsverboten ist aus Sicht der Senatorin erst nach einigen Wochen zu rechnen. Gote sprach von drei Wochen bis maximal drei Monaten. Wenn es tatsächlich soweit komme, dass sich jemand nicht impfen lassen wolle, habe dies Konsequenzen. „Das kann zunächst ein Betretungsverbot sein bis hin zu einem Beschäftigungsverbot“, so Gote.
Seit heute müssen die Beschäftigten in Gesundheit und Pflege nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Betroffen sind Mitarbeiter unter anderem in Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Behinderte, Krankenhäusern, Arztpraxen, Rettungsdiensten und Pflegediensten. Ausgenommen sind Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können – sie müssen dafür ein ärztliches Zeugnis vorlegen.
Legen die Beschäftigten keinen der geforderten Nachweise vor, muss der Arbeitgeber das jeweils zuständige Gesundheitsamt informieren. Die Behörde soll die Betroffenen dann zunächst erneut auffordern, den Nachweis in einer angemessenen Frist vorzulegen, die aber im Gesetz nicht näher definiert ist. Bleibt dies erneut aus, muss das Amt im Rahmen seines Ermessens über ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot entscheiden.
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