Weitere Mediziner kritisieren Verlosung von lebensrettendem Medikament

Berlin – Mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) haben heute weitere Ärzte auf das Vorgehen von Avexis (Novartis) im Rahmen eines globalen Härtefallprogramms die Zolgensma-Behandlung von Patienten mit 5q-Spinaler Muskelatrophie (SMA) auszulosen, kritisch reagiert.
„Hier wird nicht nur das offizielle Zulassungsverfahren ausgehebelt, es wird auch mit der Hoffnung von Familien gespielt“, erklärte DIVI-Präsident Uwe Janssens in Berlin. „Es muss allen klar sein: Gesundheit ist kein Lotteriespiel.“
Über die Vergabe von Medikamenten müsse der Arzt entscheiden, die Zustimmung müsse der Patient oder der juristische Stellvertreter erteilen – „aber nicht ein Pharmakonzern“. Die DIV rief das Bundesgesundheitsministerium auf, schnellstmöglich diese Lücken bei der Vergaberegelung schließen.
Der DIVI-Chef forderte darüber hinaus eine sofortige ethische Debatte über das Vorgehen des Pharmakonzerns. Es müsse sichergestellt werden, dass „das Los-Verfahren nicht zum Regelfall wird, um teure Medikamente auf den Markt zu bringen“.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) und die Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) erhebliche Kritik geübt und zugleich vorgeschlagen, das Härtefallprogramm auf dringliche Fälle zu begrenzen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, hatte das Härtefallprogramm für Zolgensma am 3. Februar abgesegnet.
Novartis will dadurch weltweit insgesamt 100 Kinder mit SMA, die bestimmte Antragskriterien erfüllen, per Zufall – im zweiwöchentlichen Rhythmus – für eine Behandlung mit der rund 1,9 Millionen Euro teuren Einmalspritze auswählen. Sie sollen das Medikament kostenlos noch vor der Zulassung erhalten. Die Zulassung in der Europäischen Union (EU) wird für Mitte des Jahres erwartet.
Novartis hatte bereits erklärt, dass nicht mehr als 100 zusätzliche Dosen produziert werden könnten. Man habe die Dosen, die Novartis im Rahmen des globalen Härtefallprogramms zur Verfügung stelle, „unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrags in den USA und in Erwartung weiterer Zulassungen, so auch in Europa kalkuliert“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage.
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