Ärzteschaft

Weitere Mediziner kritisieren Verlosung von lebensrettendem Medikament

  • Montag, 17. Februar 2020
/dpa
/dpa

Berlin – Mit der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallme­di­zin (DIVI) haben heute weitere Ärzte auf das Vorgehen von Avexis (Novartis) im Rahmen eines globalen Härtefallpro­gramms die Zolgensma-Behandlung von Patienten mit 5q-Spinaler Muskelatrophie (SMA) auszulosen, kritisch reagiert.

„Hier wird nicht nur das offizielle Zulassungsverfahren ausgehebelt, es wird auch mit der Hoffnung von Familien gespielt“, erklärte DIVI-Präsident Uwe Janssens in Berlin. „Es muss allen klar sein: Gesundheit ist kein Lotteriespiel.“

Über die Vergabe von Medika­menten müsse der Arzt entscheiden, die Zustimmung müsse der Patient oder der juristische Stellvertreter erteilen – „aber nicht ein Pharmakonzern“. Die DIV rief das Bundesgesund­heits­­ministerium auf, schnellstmöglich diese Lücken bei der Vergaberegelung schließen.

Der DIVI-Chef forderte darüber hinaus eine sofortige ethische Debatte über das Vorgehen des Pharmakonzerns. Es müsse sichergestellt werden, dass „das Los-Verfahren nicht zum Regelfall wird, um teure Medikamente auf den Markt zu bringen“.

Erst vor wenigen Tagen hatten die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) und die Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) erhebliche Kritik geübt und zugleich vorgeschla­gen, das Härte­fallpro­gramm auf dringliche Fälle zu begren­zen.

Das Paul-Ehrlich-Insti­tut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arznei­mittel, hatte das Härtefallprogramm für Zolgensma am 3. Februar abgesegnet.

Novartis will da­durch weltweit insgesamt 100 Kin­der mit SMA, die bestimmte An­trags­kriterien er­füllen, per Zufall – im zweiwöchentlichen Rhythmus – für eine Behandlung mit der rund 1,9 Millionen Euro teu­ren Einmalspritze auswählen. Sie sollen das Medika­ment kostenlos noch vor der Zu­lassung erhalten. Die Zulassung in der Europäischen Union (EU) wird für Mitte des Jahres er­wartet.

Novartis hatte bereits erklärt, dass nicht mehr als 100 zusätzliche Dosen produziert wer­den könnten. Man habe die Dosen, die Novartis im Rahmen des globalen Härtefallpro­gramms zur Verfügung stelle, „unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrags in den USA und in Erwartung weiterer Zulassungen, so auch in Europa kalkuliert“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage.

may/kna

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung