Zolgensma-Härtefallprogramm: Begrenzung auf dringliche Fälle vorgeschlagen

Berlin – Das Vorgehen von Avexis (Novartis) im Rahmen eines globalen Härtefallprogramms die Zolgensma-Behandlung von Patienten mit 5q-Spinaler Muskelatrophie (SMA) auszulosen, stößt weiter auf Kritik. Die Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) und die Gesellschaft für Neuropädiatrie (GNP) schlagen nun stattdessen vor, das Härtefallprogramm auf dringliche Fälle zu begrenzen.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, hatte das Härtefallprogramm für Zolgensma am 3. Februar abgesegnet. Novartis will dadurch weltweit insgesamt 100 Kinder mit SMA, die bestimmte Antragskriterien erfüllen, per Zufall – im zweiwöchentlichen Rhythmus – für eine Behandlung mit der rund 1,9 Millionen Euro teuren Einmalspritze auswählen. Sie sollen das Medikament kostenlos noch vor der Zulassung erhalten. Die Zulassung in der Europäischen Union (EU) wird für Mitte des Jahres erwartet.
Man lehne die Losvariante des Zolgensma-Härtefallprogramms „aus ethischen Gründen“ ab, schreiben DGM und GNP in einem Brief an Novartis, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt. Man sei „überzeugt, dass sich die Vergabe des Medikaments bei begrenzten Ressourcen an medizinischen Kriterien der Dringlichkeit orientieren muss und nicht durch ein Zufallsverfahren entschieden werden darf“, heißt es.
DGM und GNP erläutern weiter, dass die Vergabe eines nicht zugelassenen Medikaments im Rahmen eines Härtefallprogramms primär an diejenigen Betroffenen erfolgen sollte, „für die keine Standardtherapie zur Verfügung steht oder bei denen die Standardtherapie nicht wirksam ist“.
Die beiden Fachgesellschaften gehen dem Brief zufolge von einem kleinen Patientenkreis aus, für den Novartis die Therapie kostenfrei bereitstellen solle. Zugleich erklären sich DGM und GNP bereit, in einer Kommission von neuromuskulären Experten, Patientenvertretern und unabhängigen Ethikern zu prüfen, bei welchen Patienten die Kriterien für eine Therapie mit Zolgensma vorliegen.
Falls Novartis nicht genügend Dosen bereistellen könne, um alle Patienten zu behandeln, werde die Kommission sich auch der Aufgabe stellen, die Prioritäten in der Behandlung der Patienten festzulegen. Die Behandlungszentren in Deutschland würden sicherstellen, dass die zugeteilten Therapien dann auch zeitnah durchgeführt werden könnten, schreiben DGM und GNP.
Novartis hatte bereits erklärt, dass nicht mehr als 100 zusätzliche Dosen produziert werden könnten. Man habe die Dosen, die Novartis im Rahmen des globalen Härtefallprogramms zur Verfügung stelle, „unter Berücksichtigung des Versorgungsauftrags in den USA und in Erwartung weiterer Zulassungen, so auch in Europa kalkuliert“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens dem Deutschen Ärzteblatt auf Anfrage.
Man gehe zugleich davon aus, mit der Zulassung die zu erwartende Nachfrage ohne Einschränkungen bedienen zu können. Die Novartis-Sprecherin bezeichnete die Situation als „ein Dilemma“. „Wir haben einfach nicht so viele Dosen zur Verfügung wie wir gerne hätten“, sagte sie. Bei aller Kritik an diesem Verfahren mangele es bislang an praktikablen Alternativen. Bei der Erstellung des Programmes habe man sich von einem unabhängigen Ethikbeirat beraten lassen.
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