Ärzteschaft

Welttag der Patientensicherheit: Belange von Kindern berücksichtigen

  • Mittwoch, 17. September 2025
/Screenshot DÄ
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Berlin – Beim Versorgen von Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen sind etliche Besonderheiten zu berücksichtigen. Sie sind keine kleinen Erwachsenen, weshalb mehr Ressourcen für sie benötigt werden, wie Verbände und Organisationen zum heutigen Welttag der Patientensicherheit betonen.

Der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgerufene Aktionstag steht 2025 ­unter dem Motto „Sichere Versorgung für jedes Neugeborene und jedes Kind“. Die WHO betonte, dass größere Anstrengungen zum Schutz von Kindern vor vermeidbaren Schäden im Gesundheitswesen nötig seien. Im Zuge des Aktionstages werden Gebäude in orangenem Licht angestrahlt.

Bei einer Podiumsdiskussion der Bundesärztekammer (BÄK) im Vorfeld des Welttages, die im Stream verfügbar ist, erläuterten Fachleute bestehende und drohende Missstände, aber auch Lösungsansätze. Sie forderten eine stärkere politische Unterstützung, um die Versorgung zu verbessern.

Als eines der zentralen Probleme benannte BÄK-Präsident Klaus Reinhardt wirtschaftliche Zwänge. Die Kindermedizin sei eine der Disziplinen, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen und angesichts der gebotenen Sorgfalt nicht kostendeckend wirtschaften könne.

Das jetzige Gesundheitssystem honoriere Standardisierbarkeit und Effizienz, unterstrich Annic Weyersberg, ­Leiterin Pädiatrische Ethik & ­Soziales an der Universitätsklinik Köln. In der Pädiatrie erlebe man jedoch tagtäglich: „Kinder lassen sich einfach nicht standardisieren.“

Da Kinder keine kleinen Erwachsenen seien, müsse man akzeptieren, dass für sie teils besondere Regeln gebraucht würden, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Michael Hubmann. Mit Blick auf die Krankenhausreform bestünden jedoch „große Bedenken“, dass Besonderheiten der Kinderheilkunde „mal wieder untergehen“.

Mit der Reform sollen bestimmte Leistungsgruppen gestrichen werden, sodass ein Rückschritt bei der spezialisierten Versorgung von Kindern und Jugend­lichen befürchtet wird. Gesundheitspolitisch müsse man immer wieder erklären: „Alles mit Kindern braucht mehr Zeit“, betonte Hubmann.

Er warnte: Das System sei bereits in ­einer chronischen Überlastungssituation. „Wir haben ein Nebeneinander von Über-, Fehl und Unterversorgung, und damit erhöhen wir natürlich die Fehlerwahrscheinlichkeit.“ Er appellierte an die Politik, dass Änderungen im Sinne eines gesteuerten Systems gebraucht würden.

In den kommenden Jahren werden sehr viele Ärztinnen und Ärzte in Rente gehen, sodass das Versorgungsnetz dünner zu werden droht, wie der Leiter des Westdeutschen Kinder-Hämatologischen Zentrums am Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke, Nibras ­Naami, sagte. „Gerade im pädiatrischen ­Bereich ist das ein Riesenproblem.“

Schon heute berichteten Eltern von der schwierigen Suche nach einer Kinderarztpraxis, die Neupatienten aufnimmt. Es sei hochkritisch und auch gefährlich, wenn etwa armutsgefährdete Familien und überlastete Eltern keine Ansprechpartner mehr fänden, betonte Weyersberg.

Die Fachleute machten deutlich, dass zur sicheren Behandlung von Kindern ein völlig anderer Wissenschaftsschatz nötig sei als in der Erwachsenenmedizin. Unterschiede beträfen Diagnosen, aber auch Erscheinungsformen von Erkrankungen, betonte Naami.

Viele Medikamente sind mangels der nötigen Studien nicht für Kinder zugelassen, würden aber trotzdem gebraucht, wie Florian Babor, Oberarzt am Universitätsklinikum Düsseldorf, zu bedenken gab. Auf der anderen Seite habe man mit fehlenden ­Medikamenten für Kinder zu kämpfen, sagte Naami. „Es kann nicht sein, dass man heutzutage leichter an eine Ozempic-Spritze als an einen Penicillinsaft herankommt.“

Die Kinderärzte Barbor und Naami klären im Podcast „Hand Fuß Mund“ über Kinder­gesundheit auf. Eltern sind nach ihrer Einschätzung ein nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Patientensicherheit. Für die Ärzteschaft gelte es, zum Einbinden der Mütter und Väter den veränderten Recherchegewohnheiten, etwa mit Künstlicher Intelligenz, Rechnung zu tragen. Online präsent und ansprechbar sein – dazu appellierte Naami.

Der Welttag wurde zum ersten Mal 2019 von der WHO ausgerufen. In Deutschland setzt sich das Aktionsbündnis Patientensicherheit bereits seit 2005 für das Thema ein. Dessen Vertreterinnen und Vertreter forderten zu Wochenbeginn unter anderem, dass im Zuge der politischen Debatten über Einsparmöglichkeiten die Patientensicherheit nicht zur Disposition gestellt werden dürfe, das Deutsche Ärzteblatt berichtete.

ggr

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