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WHO-Bericht: Licht und Schatten bei der Masernelimination

  • Freitag, 28. November 2025
masern-impfung-impfheft_dpa
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Genf – Seit dem Jahr 2000 sind die masernbedingten Todesfälle weltweit um 88 Prozent zurückgegangen, wie es in einem heute veröffentlichten Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) heißt. Fast 59 Millionen Leben konnten dank intensiver Impfmaßnahmen gerettet werden, sagte Kate O’Brien, Direktorin der WHO-Abteilung Immunization, Vaccines and Biologicals auf einer WHO-Pressekonferenz.

„Tatsächlich hat der Masernimpfstoff in den vergangenen 50 Jahren mehr Leben gerettet als jede andere Impfung für Kinder.“ Dies sei bemerkenswert, so O’Brien, und zeige, was koordinierte globale Maßnahmen erreichen könnten.

„Der heute veröffentlichte Bericht hebt sowohl Fortschritte als auch Herausforderungen hervor, die vor uns liegen, um die Elimination der Masern und die IA2030-Ziele zu erreichen“, führte die Expertin weiter aus. Die Immunization Agenda 2030 (IA2030) verfolgt unter anderem das Ziel, Masern bis 2030 weltweit zu eliminieren.

„Seit den Jahr 2000 haben wir messbare Fortschritte in Richtung Masernelimination gemacht“, betonte auch Diana Chang Blanc, Abteilungsleiterin des „Essential Programme on Immunization“ der WHO. Aber man schreite immer noch zu langsam voran, Fallzahlen und Todesfälle seien inakzeptabel hoch. Dabei stünde ein sicherer, effektiver und kostengünstiger Impfstoff zur Verfügung. Zwei Dosen des Vakzins führten zu einer Wirksamkeit von etwa 95 Prozent in den meisten Fällen.

So sind 2024 immer noch 95.000 Menschen an der Infektionskrankheit gestorben – insbesondere Kinder im Alter unter fünf Jahren, heißt es in dem Bericht, der auf Daten von 2000 bis 2024 basiert. Dies ist die geringste Zahl an jährlichen Todesfällen seit 2000. Die meisten Todesfälle – etwa 80 Prozent – seien in den WHO-Regionen Afrika und östliches Mittelmeer aufgetreten, so Chang Blanc.

Keine ungefährliche Kinderkrankheit

Darüber hinaus hat es im Bemühen um eine masernfreie Welt während der COVID-19-Pandemie Rückschläge gegeben. So nimmt die Masernhäufigkeit im Vergleich zu 2019 wieder zu: 2024 gab es geschätzt elf Millionen infizierte Menschen, etwa 800.000 mehr als 2019.

In der WHO-Region Europa stiegen die Masernfälle 2024 dem Bericht zufolge um 49 Prozent gegenüber 2019 an. Die stärkste Zunahme gab es mit 86 Prozent in der WHO-Region Östlicher Mittelmeerraum. Dagegen sanken die Zahlen in der WHO-Region Afrika um 40 Prozent, die der Todesfälle um 50 Prozent. Das wurde auf die zunehmende Durchimpfungsrate zurückgeführt.

Das Masernvirus sei eines der am meisten ansteckenden respiratorischen Viren, betonte O’Brien. Eine infizierte Person könne bis zu 18 andere Menschen anstecken, die nicht geimpft oder nicht immun sind. Kleine Kinder unter fünf Jahren, Schwangere und Menschen mit Immunsuppressionen hätten das höchste Risiko für schwerwiegende Komplikationen und Tod. Eines von fünf infizierten Kindern müsse im Krankenhaus behandelt werden.

Die Kinderärztin hob weiterhin hervor, dass auch Jahre nach der Infektion Komplikationen in Form der tödlichen subakuten sklerosierenden Panenzephalitis auftreten können. Zudem hätten Kinder, die die Maserninfektion überstanden haben, über mehrere Wochen bis Monate danach ein supprimiertes Immunsystem, was sie anfälliger für andere, mitunter lebensbedrohliche Infektionen wie Pneumonien mache.

Ebenso wie Chang Blanc betonte sie: „Kein Kind muss unter den Folgen eine Maserninfektion leiden, sie ist komplett vermeidbar mit nur zwei Dosen des sicheren und hocheffektiven Impfstoffs.“

Impfquote von mindestens 95 Prozent erreichen

Die jüngsten Masernausbrüche traten dem WHO-Bericht zufolge in Ländern auf, in denen das Sterberisiko aufgrund der besseren Ernährung und Gesundheitsversorgung der Kinder gering ist. Allerdings bleibt das Risiko schwerwiegender, mitunter lebenslanger Komplikationen wie Erblindung, Pneumonie und Enzephalitis bestehen.

Um die Übertragung des hochinfektiösen Masernvirus zu stoppen, müssen demnach mindestens 95 Prozent der Bevölkerung komplett, das heißt zweimal geimpft, sein. 2024 hatten 84 Prozent aller Kinder die erste Dosis der Masernimpfung erhalten, aber nur 76 Prozent die zweite, so Schätzungen von WHO/Unicef. Das sind etwa zwei Millionen Kinder mehr als 2023.

Aber mehr als 30 Millionen Kinder weltweit waren 2024 nicht ausreichend gegen Masern geschützt, wie es im aktuellen WHO-Bericht heißt. Drei Viertel von ihnen lebten in Afrika oder im östlichen Mittelmeerraum, nicht selten in instabilen, von Konflikten betroffenen oder vulnerablen Verhältnissen.

Heute wurde zudem ein IA2030-Zwischenbericht veröffentlicht, in dem darauf hingewiesen wird, dass Masern häufig die ersten Infektionen sind, die wieder auftreten, sobald die Impfquoten sinken. Steigende Masernausbrüche wiesen somit auf Schwächen der Impfkampagnen hin.

Allein 2024 hat es in 59 Staaten große oder disruptive Ausbrüche gegeben. Das sind dreimal so viel wie 2021 und die höchste Zahl seit Beginn der COVID-19-Pandemie. In fast allen WHO-Regionen – mit der Ausnahme der WHO-Region der Amerikas – hat es 2024 in mindestens einem Land einen Ausbruch 2024 gegeben.

Das IA2030-Ziel, die Masern bis 2030 weltweit zu eliminieren, ist nach wie vor ein fernes Ziel. Nur 42 Prozent der oder 81 Länder waren 2024 masernfrei. Das waren drei Länder mehr als vor der Pandemie. 2025 ist die Zahl der masernfreien Staaten auf 96 angestiegen, darunter erstmals drei aus der WHO-Region Afrika, berichtete Chang Blanc. Dagegen hat Kanada den Status masernfrei aufgrund anhaltender Transmissionen verloren.

aks/dpa

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