WHO: Coronafälle in China schon vor Lockerung strikter Regeln rasant gestiegen

Genf – In China ist die Zahl der Coronainfektionen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bereits vor der jüngsten Lockerung der strikten Coronabeschränkungen rasant angestiegen.
Die „explosionsartige Zunahme“ der Fälle in China und die „erhöhte Übertragungsintensität“ hätten „lange vor der Lockerung der Null-COVID-Politik begonnen“, sagte der Leiter der WHO-Notfallabteilung, Michael Ryan, gestern auf einer Pressekonferenz in Genf. Der Nutzen von Kontrollmaßnahmen habe sich angesichts der hohen Ansteckung durch die Omikronvariante geändert.
Corona sei nicht plötzlich außer Kontrolle geraten, weil China die Beschränkungen aufgehoben habe. Die Krankheit habe sich deshalb stark ausgebreitet, „weil die Kontrollmaßnahmen an sich sie nicht aufhalten konnten“. Er glaube, dass die chinesischen Behörden mit ihrer abrupten Kehrtwende „strategisch entschieden“ hätten, dass die strengen Regeln für sie „nicht mehr die beste Option“ seien, sagte Ryan.
Die Beschränkungen nach chinesischem Vorbild seien bei der vor einem Jahr erstmals entdeckten Omikronvariante weniger hilfreich als bei früheren Virusstämmen, bei deren Verbreitung die Impfrate noch niedrig war.
Die hohe Ansteckung bei Omikron „hat uns die Möglichkeit genommen, gesundheitspolitische und soziale Maßnahmen zur vollständigen Eindämmung des Virus zu ergreifen“, sagte er. Solche Maßnahmen hätten in erster Linie dazu gedient, die Gesundheitssysteme zu schützen, als die Impfquoten noch an Fahrt aufnahmen. Nun aber habe sich ihr Nutzen geändert.
Nach landesweiten Protesten sowie einem Einbruch des Außenhandels im November hatte die Volksrepublik vor einer Woche mit einer Abkehr von ihrer strikten Null-COVID-Politik begonnen. Landesweit wurden zunächst Quarantäneregeln und Testpflichten gelockert oder sogar abgeschafft und die Massenabriegelungen beendet. Am Montag kündigten die Behörden zudem das Ende der staatlichen Corona-App an, die zweieinhalb Jahre lang die Bewegungsfreiheit der Menschen stark eingeschränkt hatte.
Auf die Welle von Coronafällen ist China schlecht vorbereitet: Den unterfinanzierten Krankenhäusern fehlen die Kapazitäten, um eine große Zahl von Patienten aufzunehmen. Außerdem sind Millionen ältere Menschen noch immer nicht vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Bislang haben nur 66,4 Prozent der Menschen über 80 Jahre in China drei Coronaimpfdosen erhalten.
Die Behörden kündigten gestern an, Menschen ab 60 Jahren dürften nun sechs Monate nach ihrer ersten Auffrischungsimpfung eine weitere Boosterimpfung erhalten.
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