Ausland

WHO sieht Anzeichen für Giftgaseinsatz in Syrien

  • Mittwoch, 11. April 2018
/dpa
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Genf – Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht deutliche Anzeichen für einen Giftgaseinsatz in Syrien. Die Symptome der rund 500 Betroffenen in Duma in der Rebellenhochburg Ost-Ghuta entsprächen einer Belastung mit giftigen Chemikalien, teilte die WHO heute in Genf mit. Die Behörde stützt sich dabei auf Angaben von Gesundheitspartnern vor Ort. Besonders Anzeichen von schweren Irritationen der Schleimhäute, Atemversagen und Störungen des Zentralnervensystems seien bei den Frauen, Männern und Kindern aufgetreten.

Nach Informationen der WHO sind mehr als 70 Menschen, die während der Angriffe in Kellern Schutz gesucht hatten, gestorben. 43 Todesfälle seien auf die Belastung mit besonders giftigen Substanzen zurückzuführen. Die WHO selbst ist nicht zuständig für die Untersuchung von Giftgasangriffen. Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) kündigte an, in Kürze Experten in die syrische Stadt zu schicken, um den mutmaßlichen Chemiewaffenangriff zu untersuchen.

„Wir sollten empört sein über diese entsetzlichen Berichte und Bilder von Duma“, sagte Peter Salama von der WHO. Die Behörde fordere sofortigen ungehinderten Zugang zu dem betroffenen Gebiet, um dringend benötigte Hilfe für die Notleidenden anzubieten.

Noch allerdings ist nicht geklärt, ob es sich tatsächlich um einen Chemiewaffenangriff handelt. Der Westen macht den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für den mutmaßlichen Einsatz der Waffen verantwortlich. US-Präsident Donald Trump Russland erklärte heute, ein Militärschlag stehe unmittelbar bevor. „Russland hat geschworen, alle Raketen abzuschießen, die auf Syrien abgefeuert werden. Mach' Dich bereit, Russland, denn sie werden kommen (...)“, twitterte Trump heute.

Russland wird nach Angaben seines Botschafters im Libanon jegliche US-amerikanische Rakete auf syrischen Hoheitsgebiet abfangen. „Sollte es einen Angriff von Seiten Amerikas geben (...), werden die Raketen abgeschossen und die Objekte angegriffen, von denen sie abgefeuert wurden“, sagte Alexander Sassypkin im libanesischen Fernsehen, wie die Agentur Interfax meldete. Der Kreml rief die USA zur Besonnenheit nach den Giftgasvorwürfen auf.

Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW protestierte heute gegen die fortgesetzten Drohungen gegenüber Syrien aufgrund der noch ungeklärten Vorwürfe, dass Giftgas eingesetzt wurde. Erfahrungsgemäß dauere die Ermittlung der Verantwortlichen beim Einsatz von Giftgas sehr lange, wenn sie denn überhaupt zu einem eindeutigen Abschluss gebracht werden könne, hieß es. Eine Klärung müsse der UN und der OPCW überlassen werden.

Gefahr der Ausweitung des Stellvertreterkrieges

„Unabhängig vom Ausgang der Untersuchungen fordern wir ein Ende aller Bombardierungen. Kriegsverbrechen können nicht durch noch mehr Krieg beendet werden, sondern nur durch das Ende der Kampfhandlungen“, erklärte Susanne Grabenhorst, stellvertretende IPPNW-Vorsitzende. Aktuell bestehe die große Gefahr, dass durch gegenseitige Beschuldigungen, Drohungen und Militärschläge eine katastrophale Ausweitung des Stellvertreterkrieges in Syrien erfolgt. NATO-Staaten wie die USA und die Türkei könnten sich gegenüberstehen, Atommächte ihr aufgerüstetes Atomwaffenarsenal gegeneinander in Stellung bringen, so die IPPNW.

Die Ärzteorganisation rief die Bundesregierung auf, sich für den Stopp aller Waffenlieferungen einzusetzen. Außenminister Heiko Maas (SPD) solle sich zudem für die Fortsetzung aller Friedensprozesse stark machen. An die Bevölkerung appelliert die IPPNW, Informationen zu Verantwortlichkeiten in Kriegen kritisch zu prüfen und auf ihre Bundestagsabgeordneten einwirken, sich besonnen mit der sich zuspitzenden Kriegslage auseinanderzusetzen sowie sich nicht auf falsch verstandene Bündnistreue einzulassen.

dpa/may

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