Ausland

WHO stuft Antibiotika wegen Resistenzen neu ein

  • Mittwoch, 19. Juni 2019
/Kzenon, stockadobecom
/Kzenon, stockadobecom

Genf – Die Antibiotikaresistenz weltweit nimmt nach Angaben der Weltgesundheits­organi­sation (WHO) alarmierende Ausmaße an. „Die Antibiotikaresistenz droht, 100 Jahre medizinischen Fortschritts zunichte zu machen“, warnte WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus gestern in Genf. Eine Lösung dafür zu finden sei eine der dringendsten Herausforderungen im Gesundheitsbereich.

Die WHO hat die vorhandenen Antibiotika deshalb jetzt in drei neue Kategorien ein­geteilt. In der ersten Kategorie benennt sie Mittel, die bei ernsthaften Infektionen ein­gesetzt werden sollen, in der zweiten solche, die jedes Gesundheitssystem zwar vor­halten, aber nicht immer bei den gängigsten Infektionen verabreichen sollte. In der dritten Kategorie führt sie die Mittel auf, die nur als letzter Ausweg genutzt werden sollen.

In der ersten Kategorie seien vor allem keine Breitbandantibiotika aufgeführt, sondern Medikamente, die gegen spezifische Mikroorganismen wirken, so die WHO. Die Mittel der zweiten und dritten Kategorie müssten sparsamer eingesetzt werden. So könne das Risiko der Entwicklung von Resistenzen verringert werden.

In vielen Ländern werden nach WHO-Angaben mehr als die Hälfte der Antibiotika falsch eingesetzt. So bekämen Patienten Antibiotika bei Virusinfektionen, obwohl sie nur bakterielle Infektionen bekämpfen oder sie bekämen ein Breitbandantibiotikum, wenn ein zielgerichteteres Medikament besser wäre.

Besonders besorgniserregend sei die Ausbreitung von Keimen wie Acinetobacter, Escherichia-coli und Klebsiella pneumoniae, die oft in Krankenhäusern zirkulierten. Sie könnten Lungenentzündung, Blutvergiftung und Wundinfektionen verursachen.

Die WHO nennt das neue Klassifizierungssystem AWaRe. Das A steht für Access oder Zugang und steht für die erste Kategorie. Wa steht für Watch oder „beobachten“ und beschreibt die zweite Kategorie. Re steht für Reserve und bedeutet „zurückhal­ten“, die dritte Kategorie.

WHO-Chef Ghebreyesus rief alle Staaten dazu auf, eine Balance zwischen der „Ge­währleistung des Zugangs zu lebensrettenden Antibiotika“ einerseits und einer „Be­schränkung einiger Antibiotika auf die am schwierigsten zu behandelnden Infektionen“ zu finden.

Zustimmung von den Grünen

Die Grünen begrüßten die Vorschläge der WHO zur Eindämmung multiresistenter Erreger. „Wenn Antibiotika weiter so leichtfertig verschrieben werden wie bisher, wer­den sie bald nicht mehr wirksam sein“, sagte Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Alten- und Pflegepolitik. Es brauche „dringend ein Umdenken der Gesellschaft beim Gebrauch von Antibiotika“.

Diese müssten besonders im ambulanten Bereich viel restriktiver verschrieben wer­den. Diagnostika, die vor dem Einsatz testen, ob das verschriebene Antibiotikum überhaupt anschlagen wird, müssen verpflichtend werden, forderte Schulz-Asche. „Ansonsten werden wir in ein Zeitalter vor der Antibiotika-Entdeckung zurückfallen.“

dpa/afp

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung