Ärzteschaft

Wie Ärzte und Pflegende zur Sterbehilfe stehen

  • Donnerstag, 12. November 2020

Witten – Die Haltung zur Sterbehilfe bei Ärzten und Pflegenden und die Praxis in Ge­sund­heitseinrichtungen in Deutschland beleuchtet eine neue Umfrage. „Die Hälfte der Ärzte und ein Drittel der Pflegenden berichten von Fällen der passiven beziehungsweise indi­rekten Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe und assistierter Suizid kommen dagegen nur sehr selten vor“, erläuterte der Studienautor Karl Beine.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Februar 2020 geurteilt, dass Menschen, die frei entscheiden können, für ihren Suizid auch die Hilfe von Dritten in Anspruch nehmen dür­fen. „Für Ärzte und Pflegende in den Kliniken sind Grenzsituationen häufig und belastend, und um die ging es in der Studie“, erläuterte der emeritierte Lehrstuhlinhaber für Psychia­trie der Universität Witten/Herdecke.

Er befragte für die Studie 2.507 Ärzte und 2.683 professionell Pflegende. Erschienen sind seine Ergebnisse in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (DMW, 2020; DOI: 10.1055/a-1235-6550).

Über die Hälfte der Ärzte sowie mehr als ein Drittel der Pflegenden berichteten demnach für die 24 Monate vor der Befragung von passiver oder indirekter Sterbehilfe, die unbeab­sichtigt das Leben verkürzt habe. Diese Art der Sterbehilfe macht in der Befragung mehr als 90 Prozent der berichteten Fälle aus. Aktive Sterbehilfe hatten der Studie zufolge 84 Ärzte und 65 Pflegende in den letzten zwei Jahren ausgeführt.

Beine betont, zwischen den Themenfeldern Sterbehilfe, assistierter Suizid, Tötung auf Verlangen und Patiententötungen komme es immer wieder zu Abgrenzungsproblemen. Er hat in seiner Befragung daher zwischen passiver Sterbehilfe, indirekter Sterbehilfe, assis­tiertem Suizid und aktiver Sterbehilfe genau unterschieden.

„Passive Sterbehilfe“ bezeichnet das Zurückhalten oder den Entzug einer lebenserhalten­den oder -verlängernden Behandlung. Der Tod sei eine unbeabsichtigte oder in Kauf ge­nommene Folge. „Indirekte Sterbehilfe“ bezeichnet die Gabe eines Medikaments zur Schmerzlinderung. Der Tod sei nicht gewollt, sondern eine unbeabsichtigte oder in Kauf genommene Folge.

„Assistierter Suizid“ bezeichnet die Aushändigung eines Medikaments an einen Patienten zur selbstständigen Beendigung seines Lebens. „Aktive Sterbehilfe“ bezeichnet aktive Handlungen, die eine aktive Beendigung des Lebens eines Patienten zum Ziel haben.

„In den Benelux-Staaten ist auch aktive Sterbehilfe erlaubt, in Deutschland nicht, und die Mehrheit der Ärzteschaft lehnt es auch ab“, erläutert Beine die vorherrschende Meinung. In seiner Umfrage spiegele sich dies bei den Ärzten auch so wider.

Über die Hälfte der Pflegenden berichteten aber, dass sie in mindestens einem konkreten Fall der Auffassung gewesen seien, dass aktive Sterbehilfe „um jemanden von seinem Leid zu erlösen“ sinnvoll gewesen wäre. Nur ein Viertel der Ärzte kam laut Beine zu die­ser Haltung.

hil

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