Wie das menschliche Immunsystem Urbakterien erkennt

Kiel – Das physiologische Mikrobiom des Menschen besteht aus unterschiedlichsten Mikroorganismen. Die Mikrobiota wird zwar von Bakterien dominiert, besteht aber auch aus anderen Organismen wie Viren, tierischen Einzellern und Archaeen, die auch als Urbakterien bezeichnet werden. Wissenschaftler des Forschungszentrums Borstel (FZB) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) konnten nun zeigen, wie das menschliche Immunsystem Archaeen erkennt. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Frontiers in Immunology (2017; doi 10.3389/fimmu.2017.01535).
Archaeen bilden neben den Eukaryoten, also Organismen, die Zellen mit Zellkern besitzen, und den Bakterien die dritte Domäne des Lebens. Ebenso wie Bakterien sind Archaeen einzellig und haben keinen Zellkern. Viele ihrer wesentlichen zellulären Prozesse ähneln aber eher denen der Eukaryoten. Heute ist bekannt, dass Archaeen nicht nur unter extremen Umweltbedingungen wie in Hydrothermalquellen der Tiefsee zu finden sind, sondern auch in kalten Umgebungen wie im und auf dem menschlichen Körper leben. Dort besiedeln sie unter anderem die Haut und den Darm, werden aber auch in der Lunge vermutet.
Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, konnten die Wissenschaftler zeigen, dass wichtige menschliche Immunzellen unterschiedlich stark auf verschiedene Archaeenstämme reagieren. „Mittels des sogenannten Gene-Editings durch CRISPR/Cas9 konnten wir einzelne Rezeptoren und Signalwege von Immunzellen gezielt ausschalten,“ erläuterte Holger Heine das Vorgehen der Wissenschaftler. Er ist Leiter der Forschungsgruppe angeborene Immunität am FZB.
Hierbei zeigte sich, dass die Erkennung von Archaeen des Stamms Methanosphaera stadtmanae über dessen Ribonukleinsäure (RNA) erfolgt: Nach Aufnahme des Archaeons durch die Immunzellen wird dessen RNA zugänglich und in der Folge über zwei spezifische Rezeptoren des angeborenen Immunsystems namens TLR7 und TLR8 aktiviert. Auslöser der Entzündungsreaktion ist dann TLR8 allein. Dieser Rezeptor aktiviert einen entscheidenden Signalkomplex, das Inflammasom, das einen Entzündungsprozess in Gang setzt.
„Wir möchten in Zukunft klären, ob der neu beschriebene Mechanismus der Immunerkennung auch auf weitere Methanoarchaeen-Stämme übertragbar ist oder möglicherweise sogar allgemein für alle Urbakterien gilt oder ganz spezifisch ist für Methanosphaera stadtmanae“, umreißt Ruth Schmitz-Streit, Direktorin am Institut für allgemeine Mikrobiologie der CAU, die weiteren Pläne der Wissenschaftler.
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