Wie die Coronapandemie die urologische Versorgung verändert hat

Stuttgart – Die COVID-19-Pandemie hat weltweit die klinische Versorgung in der Urologie beeinflusst. Zu diesem Schluss kommt eine weltweite Umfrage, die Forschende von der Universitätsmedizin Mainz beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) vom 15. bis 18. September 2021 in Stuttgart präsentiert haben.
Weitere Kongress-Abstracts zeigten (DOI: 10.1007/s00120-021-01626-1): Auch andere Bereiche der Urologie haben sich durch SARS-CoV-2 verändert, wie etwa das Urolithiasismanagement, die Versorgung von Patienten mit metastasierter uro-onkologischer Erkrankung sowie die Ausbildung urologischer Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung.
Von 235 befragten Urologen aus 44 Nationen – 23 aus Deutschland – gaben 93 % an, dass sich die klinische Versorgung auf Grund der Pandemie verändert hätte. In vielen Fällen wurden Operationen storniert: 44 % primäre, 23 % sekundäre und 20 % tertiäre (4-Stufiges-Eskalationsschema).
13 % führten nur noch Notfalleingriffe durch. Geringere Stornierungsraten hatten Operateure in der Onkologie zu verzeichnen. Hingegen verzichteten mehr als die Hälfte aufgrund der Pandemie auf (Neo)adjuvante oder palliative Behandlungen.
Die Befragung führte das Mainzer Team über die Plattform www.surveymonkey.com durch. Twitter und Facebook dienten der Verbreitung. Eine Rücklaufquote ist daher nicht bekannt.
Weniger Fälle von Urolithiasis während des Lockdowns
Am Klinikum Nürnberg untersuchte ein Team um Jascha Ell und Sascha Pahernik die Versorgungssituation von Patienten mit Harnsteinen vor und nach der Pandemie.
Die absolute Zahl der Patienten mit Verdacht auf eine symptomatische Urolithiasis sank während des Lockdowns (November 2020 bis Januar 2021) verglichen mit den beiden Monaten im Vorjahr: 314 versus 391 Patienten – stationär aufgenommen wurden nur noch 63, während es in den Prä-Pandemiemonaten 86 Patienten waren.
Das mittlere Alter der Patienten sowie der Case-Mix-Index waren unverändert. Patienten mit Harnsteinen blieben am Klinikum Nürnberg während des Lockdowns jedoch länger auf der Station: 2,29 +/-2,3 Tage versus 3,1 +/-6,1 Tage.
Die Forschenden mussten zudem beobachten, dass ein signifikant höherer Patientenanteil länger als einen Tag stationär aufgenommen wurde und mehr Patienten lange Liegedauern hatten. Daraus schlussfolgern sie, dass es zwar weniger symptomatische Urolithiasis-Fälle gab, diese aber einen schwereren Verlauf hatten.
Beeinträchtigte Versorgung bisher ohne Auswirkung auf Krebstherapie
In einem weiteren DGU-Abstract untersuchte ein Team um Julian Struck vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck in einer Multizenterstudie die Versorgungsrealität von Patienten mit metastasierter urologischer Erkrankung unter systemischer Krebstherapie.
Insgesamt wurden die Daten von 161 Uro-onkologischen Patienten an 5 Universitätskliniken ausgewertet. Bei etwa jedem 4. Patienten verschob sich die Laboruntersuchung, bei jedem 3. beeinträchtigte die Coronapandemie die Nachsorge. Am stärksten waren Patienten mit Urothelkarzinomen betroffen. Die onkologische Therapie hätte sich dadurch jedoch bisher nicht relevant verändert, schlussfolgern die Autoren des Abstracts.
Die Auswirkungen der Pandemie in der urologischen Weiterbildung war Thema eines weiteren Kongress-Abstracts. Im Mai 2020 initiierte der Assistenzarzt Cem Aksoy vom Universitätsklinikum Dresden deutschlandweit eien Onlineumfrage unter 50 Assistenzärztinnen und -ärzten in Weiterbildung. Etwa die Hälfte fühlte sich während der Coronapandemie in der Ausbildung deutlich eingeschränkt. Als Ursache dafür gaben sie beispielsweise weniger OP-Einsätze oder abgesagte Kongresse an.

Stärkster Rückgang bei Eingriffen an Mund, Nase und Ohren
Stärker von der Pandemie betroffen als urologische Eingriffe waren jedoch andere Fachgebiete. Das zeigt eine Datenerhebung der KKH Kaufmännische Krankenkasse – eine der größten bundesweiten Krankenkassen mit mehr als 1,6 Millionen Versicherten: Die Zahl stationärer Operationen nahm bei Versicherten im ersten Coronajahr im Vergleich zu 2019 um 12 % ab.
Gestoppt wurden in der Regel Eingriffe, die verschiebbar waren. So gab es den stärksten Rückgang von 2019 auf 2020 bei Zahn- und Mandel-OPs (minus 27,6 %), gefolgt von Eingriffen an Nase und Ohren (minus 26,5 bzw. 24,7 %). Stationäre Operationen an Harnorganen verzeichneten einen Rückgang um 7,8 %. Häufiger betroffen waren hingegen Eingriffe bei männlichen Geschlechtsorganen mit 17,6 %.
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