Wissenschaftler beschreiben spezielle Neurone für chronischen Stress
München – Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben eine neue Population von Neuronen im Gehirn identifiziert, die (mit)verantwortlich für die Reaktion auf chronischen Stress ist. Die Forscher um Alon Chen, Direktor des Instituts und federführender Autor der Studie, haben ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Nature Neuroscience publiziert (2017; doi: 10.1038/nn.4491).
Die hormonelle Reaktion auf Stress wird durch die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA) reguliert, ein neuroendokrines System, das bei Stress aktiviert wird. Bestimmte Neuronen in einem Bereich des Hypothalamus geben den sogenannten Corticotropin-freisetzenden Faktor (CRF) ab, der an die Rezeptoren in der Hypophyse bindet.
Dies triggert die Freisetzung des adrenokortikotropen Hormons ACTH in den Blutkreislauf. Das ACTH bindet an die Nebennierenrinde und aktiviert die Synthese von Glukokortikoiden. Sie fungieren als nachgeschaltete Auslöser für die Stressreaktion. Neben einer Vielzahl weiterer Aufgaben geben sie die negative Rückmeldung an die HPA-Achse, wieder herunterzufahren, wenn der akute Stress vorüber ist. So weit ist dies alles bekannt.
Die Forscher berichten jetzt, dass Glukokortikoide noch eine weitere Regulation bewirken. Sie haben eine bislang unbekannte Population von Neuronen im Hypothalamus entdeckt, die den CRF1-Rezeptor auf der Zelloberfläche tragen. „Das Interessante daran ist, dass diese Neuronen in diesem Bereich des Hypothalamus genau dann vermehrt Rezeptoren produzieren, wenn das Glukokortikoid-Niveau hoch ist, wenn die Stressreaktion des Körpers also bereits läuft“, erläuterte Assaf Ramot, Erstautor der Studie. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass es außer dem bekannten negativen Rückkopplungsmechanismus im HPA-System auch einen positiven Verstärkungsmechanismus gibt. Sie führen damit zu einem neuen Verständnis der HPA-Achse.
„Darüber hinaus konnten wir zeigen, dass diese Population von Neuronen aktiver war, wenn wir Mäuse chronischem Stress ausgesetzt hatten, als bei akutem Stress. Wir glauben, dass die betreffenden Neuronen lediglich bei chronischem Stress rekrutiert werden“, so Chen.
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