Wo die Spiritualität im Gehirn verortet ist

Boston – Wissenschaftler des Brigham and Women’s Hospital in Boston meinen, Spiritualität und Religiosität in einem bestimmten Gehirnschaltkreis lokalisieren zu können. Sie berichten darüber im Fachmagazin Biological Psychiatry (2021; DOI: 10.1016/j.biopsych.2021.06.016).
Die Forscher um Michael Ferguson verwendeten eine Methodik, die als „Läsionsnetzwerkkartierung“ bezeichnet wird und es ermöglichen soll, komplexe menschliche Verhaltensweisen bestimmten Hirnschaltkreisen zuzuordnen. Das Team nutzte einen zuvor veröffentlichten Datensatz, der 88 neurochirurgische Patienten umfasste, die sich einer Operation zur Entfernung eines Hirntumors unterzogen. Die Läsionsstellen waren über das gesamte Gehirn verteilt.
Die Patienten füllten eine Umfrage aus, die Fragen zur spirituellen Akzeptanz vor und nach der Operation enthielt. Das Team validierte seine Ergebnisse anhand eines 2. Datensatzes, der aus mehr als 100 Patienten mit Läsionen bestand, die durch ein Kopftrauma während des Vietnamkriegs verursacht wurden. Diese Teilnehmer füllten ebenfalls Fragebögen aus, die Fragen zur Religiosität enthielten.
Von den 88 neurochirurgischen Patienten zeigten 30 eine Abnahme des selbstberichteten spirituellen Glaubens vor und nach der neurochirurgischen Hirntumorresektion, 29 zeigten eine Zunahme und 29 zeigten keine Veränderung.
Unter Verwendung von Läsionsnetzwerkmapping fand das Team heraus, dass die selbstberichtete Spiritualität einem spezifischen Hirnschaltkreis zugeordnet war, der sich auf das periaqueduktalen Grau (PAG) konzentrierte, einer Hirnstammregion, die an zahlreichen Funktionen beteiligt ist, darunter Angstkonditionierung, Schmerzmodulation, altruistisches Verhalten und bedingungslose Liebe. Die Ergebnisse zur Religiosität aus dem zweiten Datensatz stimmten laut den Wissenschaftlern mit diesen Befunden überein.
„Wir waren erstaunt, dass dieser Gehirnschaltkreis für Spiritualität in einer der evolutionär am besten erhaltenen Strukturen des Gehirns zentriert ist“, sagte Ferguson. Die Ergebnisse deuteten „auf die tiefe Verwurzelung von spirituellen Überzeugungen in einem Teil unseres Gehirns hin, der in viele wichtige Funktionen involviert ist“, hieß es aus der Arbeitsgruppe.
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