Politik

STIKO zu COVID-19-Booster: Neue bivalente Impfstoffe bevorzugt einsetzen

  • Dienstag, 20. September 2022
/picture alliance, dpa, Sebastian Gollnow
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Berlin/Köln – Personen, bei denen eine Auffrischimpfung indiziert ist, sollten vorzugsweise mit einem der kürzlich zugelassenen bivalenten mRNA-Impfstoffe geimpft werden. Das hat die Ständige Impfkommission (STIKO) heute in einem Beschlussentwurf bekannt gegeben.

Die neuen Impfstoffe richten sich gegen das Spikeprotein sowohl des SARS-CoV-2-Wildtyps als auch der Omi­kron-Varianten BA.1 oder BA.4 und BA.5 (BA.4/5). Der Beschlussentwurf geht nun in das Stellungnahmever­fahren, die Empfehlungen gelten vorbehaltlich der Rückmeldungen daraus.

Erst vor Kurzem hatte die STIKO ihre Empfehlungen zu einer 2. Auffrischimpfung veröffentlicht. Darin riet sie unter anderem allen Personen ab 60 Jahren mit einer Grundimmunisierung und einem ersten Booster beziehungsweise nach einer SARS-CoV-2-Infektion eine 2. Auffrisch­impfung, wenn der 1. Booster oder die Infektion in der Regel mindestens 6 Monate zurückliegen.

An diesen Empfehlungen, die zum Beispiel auch Menschen ab 12 Jahren mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Infektionsverlauf oder einer erhöhten Exposition einschließen, hat sich nichts geändert. Für den 2. Booster sollten bei den genannten Personengruppen nun aber die verfügbaren Omikron-adap­tierten bivalenten mRNA-Impfstoff vorzugsweise eingesetzt werden.

Hintergrund sei, so das STIKO-Mitglied Christian Bogdan, Direktor des Mikrobiologischen Instituts – Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene, Universitätsklinikum Erlangen, dass diese gegen 2. Virusvarian­ten gerichteten Vakzine die Immunantwort erweitern und verbessern.

Verglichen mit den bisherigen monovalenten mRNA-Impfstoffen lösen die neuen Impfstoffe eine verbesserte Antikörperantwort gegenüber verschiedenen Omikron-Varianten und gegenüber dem Wildtyp-Virus eine ähn­lich gute Antikörperantwort aus.

Dabei würde die STIKO keinen der zugelassenen bivalenten Impfstoffe bevorzugen, sagte Bogdan. Ob nun ein BA.1- oder ein BA.4/5-adaptierter Impfstoff eingesetzt werde, mache keinen Unterschied. Zum einen „führt eine Immunisierung gegen BA.1 auch zu einer verbesserten Antikörperantwort gegen BA.4/5.“ Diese sei nicht zwar nicht so deutlich wie gegen BA.1, aber es gäbe eine gewisse Kreuzreaktivität.

Zum anderen gehe es auch um die Verfügbarkeit dieser Impfstoffe. Für die STIKO gelte, „wenn jemand die dringliche Indikation für eine Impfung hat, dann sollte er diese erhalten und nicht auf irgendeinen weiteren Impfstoff warten“, so Bogdan.

Christine Falk, Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie, Medizinische Hochschule Hannover, führte aus, dass „der große Sprung in der Veränderung der Spikeproteinsequenz insbesondere vom Wildtyp zu BA.1 erfolgte.“ Die Veränderungen von der Omikronvariante BA.1 zu den Varianten BA.4/5 seien nicht mehr so groß. Daher sei die Anwendung des an BA.1 angepassten Impfstoffes durchaus sinnvoll, „zumal da auch die Studienlage besser ist.“

Laut STIKO bleibt das primäre Ziel der Impfungen, schwere COVID-19-Verläufe zu verhindern. Dabei sei die Wahl des konkreten Impfstoffes weniger entscheidend, als dass die Impfempfehlungen umgesetzt und in An­spruch genommen werden.

Prinzipiell böten alle verfügbaren Impfstoffe inklusive der monovalenten Impfstoffe einen guten Schutz vor schweren COVID-19-Verläufen, auch bei Infektionen mit Omikronvarianten. Daher sollten Personen, die erst kürzlich eine Auffrischimpfung erhalten haben, nicht zusätzlich mit einem der angepassten Impfstoffe geimpft werden.

Die neuen bivalenten Impfstoffe sind für eine Auffrischimpfung zugelassen bei Personen, die bereits eine Grundimmunisierung erhalten haben. Der STIKO zufolge können die Impfstoffe „Comirnaty Original/Omicron BA.1“ oder „Comirnaty Original/Omicron BA.4/BA.5“ (beide Biontech/Pfizer) ab dem Alter von 12 Jahren und der Impfstoff „Spikevax bivalent Original /Omicron BA.1“ (Moderna) ab dem Alter von 30 Jahren eingesetzt werden.

Insgesamt schätzte die STIKO die bivalenten Impfstoffe trotz der begrenzten klinischen Studiendaten als sicher und gut verträglich ein. Hintergrund sei, dass die neuen Impfstoffe dieselbe mRNA-Plattform verwen­den wie die älteren monovalenten mRNA-Impfstoffe. Der Unterschied würde nur in wenigen abgeänderten Nukleotiden liegen und die Immunantwort aus einer Auseinandersetzung mit dem Spikeprotein von SARS-CoV-2 beruhen.

Die Kommission forderte die Hersteller jedoch nachdrücklich auf, Postmarketingstudien zur Sicherheit und Wirksamkeit der Varianten-adaptierten Impfstoffe durchzuführen und zu veröffentlichen.

Auch Bogdan betonte, dass sich mit den vorhandenen Immunogenitätsdaten eine Verbesserung der Antikör­per­antwort feststellen lasse. „Es ist legitim anzunehmen, dass mit der verbesserten Antikörperantwort auch ein besserer Schutz einhergeht.“ Aber klinischen Daten, die dies belegten, fehlten noch.

Zu dem BA.4/5-adaptierten Impfstoff lägen bislang nur Daten aus Untersuchungen an Mäusen vor. Diese zeigten, dass die bivalente Vakzine zu einer ausreichenden Bildung von neutrali­sierenden Antikörpern führe.

„Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass sie beim Menschen nicht immunogen wären“, sagte Bogdan. Es sei jedoch ein Schwachpunkt, dass Daten aus Studien am Menschen fehlen. „Es ist ein bisschen schwer nachvoll­ziehbar, warum diese noch nicht da sind.“

Jörg Meerpohl, Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin, Universitätsklinikum Freiburg, und ebenfalls STIKO-Mitglied, bemängelte ebenfalls die Datenlage. Das sei nicht ideal, aber „wir können uns die Welt nicht so malen, wie wir sie gerne hätten, sondern müssen mit dem leben, was wir haben.“ Das könne aber kein Dauerzustand sein, warnte er.

aks

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