Politik

Bundesländer fordern Neuregelung für frühen Schwangerschaftsabbruch

  • Freitag, 14. Juni 2024
/Prostock-studio, stock.adobe.com
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Ludwigsburg – Die Gleichstellungs- und Frauenministerkonferenz (GFMK) fordert eine zügige Neuregelung der rechtlichen Vorgaben für einen Schwangerschaftsabbruch, insbesondere in der sogenannten Frühphase. Bundestag und Bundesregierung werden demnach aufgefordert, einen Regelungskatalog und Vorschläge für eine Fristenlösung für die ersten zwölf Wochen außerhalb des Strafrechts vorzulegen, fordern die Frauenministerinnen und -minister.

Statt der geltenden Pflichtberatung, brauche es eine freiwillige und kostenfreie Beratung, lautet die Forderung weiter. Die Möglichkeit, eine Schwangerschaft auszutragen oder selbstbestimmt abzubrechen, sei Grundvoraussetzung für die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen, schreibt die 34. GFMK in einem Beschluss, der mehrheitlich gefasst worden ist. Diese höchstpersönliche Entscheidung betreffe zuvorderst den Kernbereich der persönlichen Freiheit und Selbstbestimmung sowie der Persönlichkeitsentfaltung einer Frau.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) begrüßte den Vorstoß der Länder und erklärte: „Die Gleichstellungsministerinnen haben mit dem Entschließungsantrag zum Thema Schwangerschaftsabbruch zum Ausdruck gebracht, dass sie hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Frau stehen und eine Entkriminalisierung in den ersten drei Monaten für überfällig halten.“ Auch die Empfehlungen der Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin legten dringend nahe, die strafrechtliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten drei Monaten abzuschaffen. „Zum weiteren Vorgehen werden wir uns in der Bundesregierung verständigen“, kündigte Paus an.

Die GFMK sprach sich zudem für einen Ausbau der psychosozialen Beratung für queere Menschen aus. Sie bräuchten ein gutes und wohnortnahes Angebot an psychosozialer Beratung, falls sie mit Ausgrenzung und Diskriminierung konfrontiert werden, erklärte die GFMK. Aktuell seien Beratungsangebote für queere Menschen je nach Bundesland noch sehr unterschiedlich. „Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, eine bundesweite Übersicht der Beratungsangebote und -bedarfe zu erstellen“, sagte GFMK-Vorsitzende und Staatssekretärin im baden-württembergischen Sozialministerium, Ute Leidig (Grüne). „Darauf basierend könnten dann beispielsweise einheitliche Fortbildungen für Beratungsfachkräfte umgesetzt werden.“

Langzeitstudie zu Hormontherapie in Wechseljahren gefordert

Die Konferenz hat zudem das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und Bundesministerium für Gesundheit (BMG) aufgerufen, eine klinische Langzeitstudie zu aktuellen leitlinienbasierten Hormontherapien während der Wechseljahre zu beauftragen. Das Wissen bei Medizinerinnen und Medizinern sowie bei betroffenen Frauen über physiologische Veränderungen durch die Wechseljahre müsse ausgeweitet werden, um eine Gesundheitsförderung zu gewährleisten. Zudem fordern die Länder eine bundesweite Kampagne zur Aufklärung von Arbeitgebenden und der Öffentlichkeit über die Wechseljahre.

Auch das Thema Endometriose müsse enttabuisiert werden. Menstruationsschmerzen im Allgemeinen und insbesondere Endometriose stellten immer noch ein Randthema dar, das in der Gesellschaft zu wenig Beachtung finde, schreibt die GFMK in einem Beschluss. „In Deutschland leiden schätzungsweise zehn bis 15 Prozent aller Mädchen und Frauen zwischen Beginn der Regelblutung und Beginn der Wechseljahre an Endometriose.“

Aufgrund schwerer chronischer Schmerzen und verschiedenster Begleitsymptome könne die Krankheit Lebensqualität und Leistungsfähigkeit von Mädchen und Frauen stark beeinträchtigen. Endometriose habe zudem eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung etwa durch krankheitsbedingte Ausfallzeiten, medizinischen Aufwand, hohes Risiko von ungewollter Kinderlosigkeit sowie Armutsgefährdung.

Es benötige eine ressortübergreifende „Nationale Strategie Endometriose“ unter Federführung des BMG und Einbeziehung relevanter medizinischer und wissenschaftlicher Fachgesellschaften sowie Betroffenenverbände. Vorbild sei hier Frankreich oder Australien. Ziel sei unter anderem die umfangreiche Forschung zu Endometriose zu fördern, die Aufklärung zu verstärken sowie eine Verbesserung der Versorgung zu erreichen. Die GFMK bittet zudem die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) dieses Thema aufzugreifen. Die GMK hat ebenfalls diese Woche in Lübeck-Travemünde getagt.

Aufklärung über weibliche Genitalverstümmelung

Die Länder betonten zudem die Notwendigkeit einer stärkeren Sensibilisierung und Information zum Thema weibliche Genitalverstümmelung. „Auch in Deutschland müssen Mädchen und Frauen vor weiblicher Genitalverstümmelung geschützt werden“, sagte Leidig. „In mehreren Bundesländern bestehen bereits zentrale Anlaufstellen oder Koordinierungsstellen, die Hilfsangebote, Informationen und Fortbildungsmöglichkeiten zum Thema weibliche Genitalverstümmelung bieten.“

Es brauche aber ein von der Bundesregierung gesteuertes Präventionsprogramm und eine Gesamtkoordinierung von Sensibilisierungsprogrammen, die diesen Stellen Unterstützung bieten, erklärte Leidig. Deutschland würde hierdurch auch der Aufforderung des Expertenausschusses zur Umsetzung der Istanbul-Konvention nachkommen, politische Maßnahmen gegen weibliche Genitalverstümmelung auszuweiten.

Zudem müssten Frauenhäuser und Beratungsstellen gestärkt werden, lautet eine weitere Forderung der GFMK. Die Bundesregierung habe im Koalitionsvertrag das Vorhaben bekräftigt, die Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen zu sichern. „Dieses Vorhaben begrüßen die Länder weiterhin. Mit der Schaffung eines verbindlichen Rechtsrahmens würde Deutschland seiner Verantwortung für den Schutz von Frauen und für die Bekämpfung von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt nachkommen“, erklärte Leidig.

Ein Rechtsanspruch auf Schutz bei häuslicher Gewalt und die verlässliche Finanzierung des Hilfesystems sei schon lange überfällig. Die Länder forderten das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) auf, die Art und Höhe der verbindlichen Kostenbeteiligung des Bundes festzulegen und einen Gesetzentwurf zügig vorzulegen. Darüber hinaus soll das Hilfesystem auch mit Blick auf Cyberstalking und digitalisierte Gewalt stärker unterstützt werden. Die GFMK fordert daher, die Themen in den Bundesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention aufzunehmen und mit entsprechenden Mitteln zu unterstützen

Außerdem brauche es klare und verbindliche Standards für die Entwicklung geschlechtergerechter und diskriminierungsfreier Systeme, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren. Die Bundesregierung müsse entsprechende Standards vorgeben, lautete eine weitere Forderung der Konferenz. „Wir müssen die Potenziale von KI gleichstellungspolitisch nutzen und KI zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Feministische Initiativen zur Forschung und Entwicklung im Bereich KI müssen vom Bund stärker gefördert werden“, sagte die GFMK-Vorsitzende Leidig.

cmk

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