Ministerium legt Details zu Pflegepersonaluntergrenzen fest

Berlin – Ab dem 1. Januar 2019 wird es Pflegepersonaluntergrenzen – zunächst für vier pflegeintensive Krankenhausbereiche – geben. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat heute eine entsprechende Verordnung auf den Weg gebracht, mit der es die Pflegepersonaluntergrenzen (PPUG) selbst festgelegt. Die Verordnung liegt dem Deutschen Ärzteblatt vor.
Demnach sollen PPUG für die Intensivmedizin, die Geriatrie, die Kardiologie und die Unfallchirurgie gelten. Die PPUG werden als Verhältnis zwischen der Patientenzahl und Anzahl der Pflegekräfte festgeschrieben. Dabei werden laut Ministerium vier Kategorien von Schichten unterschieden: Tag- und Nachtschichten an Wochentagen sowie Tag- und Nachtschicht an Wochenenden und Feiertagen.
Zwei Beispiele
Das Ministerium nennt zwei Beispiele. Auf der Intensivstation in der Tagschicht an einem Wochentag darf eine Pflegekraft künftig höchstens zwei Patienten betreuen, in der Nachtschicht drei Patienten. In der Unfallchirurgie in der Tagschicht an einem Wochentag darf eine Pflegekraft höchstens zehn Patienten betreuen, in der Nachtschicht 20 Patienten (alle Details siehe Infokasten). Die Verordnung sieht einige Ausnahmetatbestände und Übergangsregelungen vor.
Hintergrund der Ersatzvornahme des Ministeriums ist, dass sich Deutsche Krankenhausgesellschaft und GKV-Spitzenverband zuvor in lang andauernden Verhandlungen nicht auf Pflegpersonaluntergrenzen verständigen konnten.
Versagen der Selbstverwaltung
„Bereits seit Juli des vergangenen Jahres haben die Interessenvertreter von Krankenhäusern und Krankenkassen den Auftrag, Personaluntergrenzen für pflegesensitive Krankenhausbereiche selber festzulegen. Diese Verhandlungen sind gescheitert“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute.
Dieses „Versagen der Selbstverwaltung“ erfordere das Handeln der Politik „zum Schutz der Patienten und Pflegekräfte“. Die Unterbesetzung von intensivmedizinischen Abteilungen im Krankenhaus könne „fatale Folgen für Patienten haben“.
Die auf den Weg gebrachte Verordnung soll zum 1. Oktober in Kraft treten. Sie muss nach Angaben des Ministeriums weder vom Bundeskabinett noch von Bundestag oder Bundesrat bestätigt werden. Der Entwurf der Verordnung wurde an Ressorts, Länder und Verbände zur Anhörung verschickt, wie es vom Ministerium hieß.
Die Verordnung ist laut BMG bis zum 31. Dezember 2019 befristet. Ziel sei die Ablösung durch eine Vereinbarung des GKV-Spitzenverbands und der DKG mit Wirkung zum 1. Januar 2020, heißt es in der Verordnung. Bis dahin soll es eine verbesserten Datenlage geben. „Sachgerecht erscheint insbesondere eine Erweiterung der Pflegepersonaluntergrenzen auf zusätzliche pflegesensitive Bereiche sowie eine weitere Differenzierung nach dem Pflegeaufwand“, schreibt das Ministerium.
Nach Einschätzung der Krankenhäuser sind die Vorgaben des Ministeriums zu restriktiv. Die geforderte Besetzung könne dazu führen, dass Leistungen von den Kliniken nicht erbracht werden könnten, warnte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum. Die DKG warnte, die in der Ministerverordnung festgesetzten Untergrenzen würden für viele Kliniken nicht zu erreichen sein.
„Unrealistisch hoch angesetzt sind die Vorgaben für die Personalbesetzungen auf Intensivstationen. Die jetzt vom Ministerium festgelegten Untergrenzen liegen auf dem Niveau, das von Fachgesellschaften für eine qualitativ gute Versorgung gefordert wird“, erklärte DKG-Präsident Gerald Gaß. Wenn nun für je zwei Patienten mindestens eine Pflegekraft als starre Norm vorgegeben werde, würden die Behandlungskapazitäten auf den Intensivstationen „drastisch verknappt“. Zahlreiche Kliniken mit Intensivstationen werden nicht mehr in der Lage sein, zusätzliche Patienten aufzunehmen, weil sie ansonsten die Personalvorgaben nicht mehr erfüllen, so Gaß.
Auch die vom Ministerium vorgesehenen Ausnahmen sind für die DKG „viel zu kurz gefasst“, um den vielfältigen Ursachen nicht quotenkonformer Besetzungen gerecht zu werden. Pflegekräfte könnten erkranken und auch über Epidemien und Großschadensereignisse hinaus gebe es nicht vorhersehbare Belastungen durch höheren Versorgungsbedarf.
Die Krankenkassen sehen die Verantwortung für die jüngste Entwicklung bei den Krankenhäusern. Die Verhandlungen seien daran gescheitert, dass der DKG die anvisierte Kompromisslinie zu streng gewesen sei, twitterte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands, Florian Lanz. „Aber Pflegepersonaluntergrenzen sind Patientenschutz, da braucht es klare Kante.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hält die Regelung zu Personaluntergrenzen für Pflege in Krankenhäusern hingegen für nicht ausreichend. Die Ankündigung des Bundesgesundheitsministeriums, jetzt selber Personaluntergrenzen für die Besetzung von pflegeintensiven Krankenhaus-Abteilungen festzulegen, reiche bei weitem nicht aus, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in Berlin.
Der DGB erklärte dazu, das Ministerium wolle Untergrenzen lediglich dort definieren, wo die Belastung des Personals am größten sei. „Damit blieben 75 Prozent aller Krankenhäuser von der Regelung unberührt, obwohl in nahezu allen Bereichen mehr Personal gebraucht wird“, sagte Buntenbach.
Die hohen Arbeitsbelastungen des Pflegepersonals, die zu gefährlichen Fehlern führen könnten, würden damit zementiert anstatt dauerhaft verbessert. Buntenbach verwies zugleich darauf, dass der Koalitionsvertrag Regelungen für alle bettenführenden Abteilungen fordere.
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