Politik

Regierungskommission legt Konzept für Reform des Rettungsdienstes vor

  • Donnerstag, 7. September 2023
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Berlin – Einheitliche Vorgaben zu Organisation, Leistungsumfang, Qualität und Bezahlung des Rettungs­diens­tes fordert die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. So soll eine transparente, qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Notfallversorgung ermöglicht werden.

Bundesweit vergleichbare Vorgaben würden zugleich dem Ziel von Qualität und Wirtschaftlichkeit dienen, heißt es dazu in der heute vorgelegten Stellungnahme und Empfehlung der Kommission.

Der Rettungsdienst brauche dringend eine Reform und klare Strukturen, betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im Rahmen der Vorstellung der Kommissionsempfehlung in der ADAC-Luftrettungssta­tion am Benjamin-Franklin-Campus des Berliner Klinikums Charité.

Die Qualitätsdefizite seien „nicht akzeptabel“. Deshalb sei es wichtig, dass die Regierungskommission jetzt entsprechende Empfehlungen vorgelegt habe. Diese Überlegungen werde man in die Reformpläne einfließen lassen. Viele Inhalte der Stellungnahme seien deckungsgleich mit ersten Vorüberlegungen des Bundesge­sund­heitsministeriums (BMG).

Auf dieser Basis soll nun „zügig“ die Erarbeitung von Eckpunkten erfolgen, so Lauterbach. Die „strategische Entscheidung“, ob Krankenhausreform sowie Notfallversorgungs- und Rettungsdienstreform in Einzelgesetzen oder als Paket umgesetzt werden, solle zeitnah und nach Rücksprache mit der Regierungskoalition fallen.

Rettungsdienst soll Teil des SGB V werden

Die Vorschläge der Regierungskommission umfassen unter anderem die Einbeziehung des Rettungsdienstes in das Sozialgesetzbuch V (SGB V). Der konkrete Leistungsanspruch soll in einer eigenständigen Norm im SGB V geregelt werden.

Berücksichtigt werden sollen dabei die Leistung der Leitstelle, die Notfallversorgung vor Ort, der Notfalltrans­port sowie komplementäre Notfallversorgungsangebote – wie etwa pflegerische Notfallversorgung oder psy­chiatrisch-psychosoziale Krisenintervention.

Die dann in die Verantwortung der Krankenkassen fallende Vergütung des Rettungsdienstes soll sich aus Vor­halte- und Leistungsanteil zusammensetzen. Neben bundesweit geltenden Entgelten sollen regionale An­passungsfaktoren vereinbart werden, betont die Kommission. Notwendige Investitionen für den Rettungs­dienst sollen weiterhin durch die Länder und die Kommunen getragen werden.

Zudem sollen Vorgaben für Mindestpersonalausstattung, Qualifikation und Weiterqualifizierung festgelegt werden. Die Anforderungen an Struktur-, Prozess- und soweit möglich Ergebnisqualität sowie die Qualifikation des eingesetzten Personals in Leitstellen und der Notfallrettung sollen länderübergreifend vereinheitlicht werden. Anzustreben sei auch die Etablierung eines Notfallversorgungsregisters mit Kerndaten zu KV-Not­dienst, Rettungsdienst, Notaufnahmen sowie Notfallzentren.

Die Bundesländer sollen laut Kommission die Koordinierung des Rettungsdienstes straffen. Richtwert für die „Zentralisierung“ soll eine Leitstelle pro circa einer Million Einwohner sein – derzeit gibt es in Deutschland rund 240 Leitstellen.

Die Befugnisse von Notfallsanitätern sollen ausgeweitet werden – etwa im Bereich der Medikamentengabe oder bei bestimmten invasiven Maßnahmen. Besonders qualifizierte Notfallsanitäter sollen mit eigener fach­gebundener Heilkundebefugnis den jetzigen Notarztdienst substituieren und die ärztlichen Spezialressourcen nur bei Bedarf anfordern müssen.

Notärzte sollen nur in besonders komplexen Fällen eingesetzt werden. Rajan Somasundaram, Ärztlicher Leiter der Notaufnahme am Charité Campus Benjamin Franklin und Mitglied der Regierungskommission, sprach von „partieller Substitution“.

Bezüglich einer möglichst hochwertigen Notfallversorgung auch in ländlichen Regionen soll der Luftrett­ungs­dienst, insbesondere durch Ausbau von Landemöglichkeiten und Nachtbetrieb, erweitert werden, so die Kommission.

Grundsätzlich müsse der Rettungsdienst „technisch einheitlich digital und umfassend mit den anderen Säulen der Notfallversorgung sowie der elektronischen Patientenakte vernetzt werden, einschließlich telemedizini­scher Verknüpfung rund um die Uhr“.

Um die allgemeine Gesundheitskompetenz zu stärken, sollen Erste-Hilfe-Kurse in den Grund- und weiterfüh­renden Schulen und am Arbeitsplatz angeboten werden und verpflichtend sein. Zusätzlich sollen Ersthelfer-Apps flächendeckend eingeführt sowie öffentlich zugängliche Defibrillatoren flächendeckend aufgestellt werden.

Kommissionsmitglied Somasundaram betonte, ein Umsetzungsprozess all dieser Maßnahmen werde „fünf bis zehn Jahre“ dauern – aber man müsse jetzt beginnen. Die Reform müsse auf den Weg gebracht und mögliche widerstrebende „Partikularinteressen“ zurückgestellt werden, so sein Appell.

Martin Pin, Präsident der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA), bezeich­nete die Vorschläge als „notwendig und längst überfällig“. Er begrüßte insbesondere die Pläne zur Vergütung durch Übernahme des Rettungsdienstes in das SGB V.

Auch die vorgesehenen standardisierten Qualitätsvorgaben für Rettungsdienst und Leitstellen sowie eine bessere Digitalisierung in der Notfallmedizin und Schaffung eines Notfallregisters sieht der DGINA-Präsident positiv.

„Es ist wichtig, dass die Regierungskommission nun auch Vorschläge für eine Reform des Rettungsdienstes als Teil der Reform der Notfallversorgung vorgelegt hat“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek). Wichtige Impulse seien etwa die Stärkung der telemedizinischen Versorgung, einheit­liche Standards in der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie eine straffere Koordinierung der Leit­stellen.

Nun komme es „entscheidend“ auf die Umsetzung an, betonte Elsner. Die Überlegungen zur Reform des Rettungsdienstes müssten zwingend mit den generellen Reformen zur Verbesserung der Notfallversorgung und der Krankenhausreform synchronisiert werden.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, lobte die Vorschläge der Kommission im Grundsatz ebenfalls. Er warnte aber, dass es aus Sicht der Kassen keine Kosten „originärer Aufgaben von Ländern und Kommunen in Richtung der gesetzlichen Krankenversicherung verschoben“ werden dürften.

aha

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