Ärzteschaft

Marburger Bund fordert große Krankenhausreform

  • Donnerstag, 17. September 2020
/spotmatikphoto, stock.adobe.com
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Berlin – Der Marburger Bund (MB) hat eine umfassende Krankenhausreform gefordert, die eine Neuordnung der Krankenhausplanung sowie der Krankenhausfinanzierung beinhaltet. „Die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung ist durch ein funktional abgestuftes und effizient strukturiertes Netz einander ergänzender Krankenhäuser sicherzustellen“, heißt es in einem Positionspapier, das der MB heute vorgelegt hat.

„Die Festlegung von Versorgungsstufen im Krankenhausplan sollte verpflichtend sein und nach bundesweit einheitlichen Kriterien erfolgen.“ Die Patienten sollen dann künftig je nach ihrem Versorgungsbedarf in einem Krankenhaus der Grundversorgung, der Schwerpunkt­versor­­gung oder der Maximalversorgung behandelt werden.

„Leider findet derzeit eine aktive Krankenhausplanung kaum noch statt“, kritisierte die 1. Vorsitzende des MB, Susanne Johna, bei der Präsentation des Papiers vor Journalisten. „Doch nur, wenn die Planung aktiv betrieben wird, kann sich die Krankenhauslandschaft sinnvoll verändern.“ Johna betonte, dass die Krankenhausplanungsbehörden der Länder über genü­gend Expertise für diese „große Aufgabe“ verfügten. Allerdings bräuchten sie dafür mehr Personal.

Mehr Kooperation und Vernetzung

In diesem Zusammenhang forderte der MB, die Kompetenzen der Planungsbehörden zu erweitern und es ihnen zu ermöglichen, ein Krankenhaus ganz oder zum Teil aus dem Kran­ken­hausplan herauszunehmen. Heute stehen einem solchen Schritt vielfach juristische Vor­gaben entgegen. Auch dürften Änderungen im Krankenhausplan nicht durch kartellrecht­liche Hürden konterkariert werden.

Der Marburger Bund betonte, dass die Versorgungsstrukturen stärker auf Kooperation und Vernetzung ausgerichtet werden müssten. „Um die Versorgung auch in der Fläche sicherzu­stellen, müssen Planungsbereiche flexibilisiert und kleinere Häuser durch Facharztkompe­tenz auch aus dem ambulanten Bereich unterstützt werden“, heißt es in dem Positions­papier. „Wenn diese regional nicht vorhanden sind, muss das Krankenhaus einen ambulanten fachärztlichen Versorgungsauftrag bekommen.“ Beispielhaft für eine örtliche Bündelung der medizinischen Versorgungsangebote seien Campuskonzepte.

Vorhaltekosten refinanzieren

Der Marburger Bund spricht sich in seinem Positionspapier darüber hinaus für eine Weiter­ent­wicklung des DRG-Systems aus, mit der künftig auch Vorhaltekosten der Krankenhäuser bezahlt werden.

„Vorhaltekosten müssen entsprechend der Versorgungsstufe eines Krankenhauses als leis­tungsunabhängige Pauschale von den Krankenkassen finanziert werden“, heißt es. „Dadurch erhalten Krankenhäuser nicht nur Planungssicherheit, sondern auch Anreize, damit nicht alle Krankenhäuser das tun, was manche besser können.“ Die Höhe der Vorhaltepauschalen solle die Selbstverwaltung auf Bundesebene vereinbaren.

Zudem müssten die Krankenkassen sämtliche Personalkosten bezahlen. Bis zum vergange­nen Jahr waren alle Personalkosten in den jeweiligen Fallpauschalen enthalten. Seit Anfang dieses Jahres sind die Kosten für das Pflegepersonal nicht mehr enthalten und werden gesondert vergütet.

Dabei soll nach dem Willen des MB ein Personalbemessungssystem eingeführt werden, mit dem die Zahl der notwendigen Mitarbeiter im Krankenhaus errechnet werden kann. Es soll die heute in vielen Abteilungen geltenden Pflegepersonaluntergrenzen ablösen.

„Personaluntergrenzen sind nicht geeignet, da deren Unterschreitung sofort zur Notwendig­keit von Aufnahmestopps oder gar Verlegungen von Patienten führt“, heißt es in dem Positionspapier.

Bund soll sich an Investitionskosten beteiligen

Johna erklärte, dass es bereits Instrumente zur Messung des Personalbedarfs gebe, zum Beispiel im Bereich der Anästhesie. Darin seien auf der Basis aller Aufgaben der Anästhe­sisten die notwendigen Stellen berechnet worden.

„Dabei sieht man dann auch, wie viele Tätigkeiten bei der normalen Personalplanung verges­sen werden, zum Beispiel Personalentwicklungsstrategien, Fortbildungen oder die Teilnahme an Sitzungen“, sagte Johna. Das System, das von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und dem Berufsverband Deutscher Anästhe­sisten (BDA) vorgelegt wurde, sei auch auf andere Fächer anwendbar.

Seit vielen Jahren kommen die Bundesländer ihrer Verpflichtung nach einer vollständigen Bezahlung der Investitionsmittel nicht nach. Deshalb fordert der MB, dass die Bundesländer und der Bund künftig gemeinsam die Finanzierung der Investitionskosten sicherstellen. Die Kofinanzierung des Bundes müsse dabei nach klar definierten Zielvorgaben erfolgen.

Zeit für werteorientierte Medizin

Johna kritisierte darüber hinaus das derzeitige System der Qualitätssicherung, bei der Kran­kenhäuser die Behandlungsdaten in zahlreichen Indikationen dokumentieren. „Wir messen ganz viel im Krankenhaus“, sagte sie. „Dadurch wird die Qualität der Versorgung aber nicht verbessert, im Gegenteil: Manchmal wird dadurch sogar zu viel Zeit von der Patienten­versorgung weggenommen.“

Johna forderte, dass sich die Qualitätssicherung stärker an Struktur- und Personalvorgaben orientiert sowie die Indikationsqualität stärkt. Zudem müsse das Peer-Review-Verfahren nach den Vorgaben der Bundesärztekammer (BÄK) stärker als niederschwellige, interkol­legiale und erprobte Qualitätsverbesserungsmaßnahme angewendet werden.

Im Rahmen einer „werteorientierten Medizin“ müssten zudem die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass genügend Zeit und Raum für Gespräche mit Patienten und Angehö­rigen und für den fachlichen Austausch bleibe.

fos

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