Ärzteschaft

Krankenhausreform: Marburger Bund plädiert für neues System mit Vorhaltekosten

  • Donnerstag, 3. November 2022
/picture alliance, Kay Nietfeld
/picture alliance, Kay Nietfeld

Berlin – Angesichts der aktuell laufenden Vorbereitungen für eine große Krankenhausreform, mahnte heute die erste Vorsitzende des Marburger Bundes, Susanne Johna, ein neues bundeslandübergreifendes Finanzie­rungssystem parallel mit einer Strukturreform einzuführen.

„Wir brauchen ein neues System auf der Basis einer Finanzierung von Vorhaltekosten. Alles beim Alten zu lassen, ist keine Option“, sagte sie. Das pauschalierte Abrechnungssystem habe zu viele Fehlanreize. Die bis­herigen Bemühungen mit einzelnen Korrekturen hätten das System immer komplexer gemacht, aber nicht besser, so Johna.

Das System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) zwinge Krankenhäuser zum Aufbau von Spezialab­teilungen, obwohl diese in der Region bereits vorhanden seien. Diese Fehlanreize würden maßgeblich zu Per­sonaleng­pässen beitragen. Das System der Fallpauschalen habe komplett ausgedient, bekräftigte Johna. Stattdessen sollten nah beieinander liegende Krankenhäuser künftig besser kooperieren, statt konkurrieren.

Bereits im September 2020 hatte der Marburger Bund ein neues, vierstufiges Krankenhaussys­tem vorgeschla­gen. In diesem System gebe es regionale Versorger in der Fläche, die mindestens eine Abteilung der Inneren Medizin sowie der Chirurgie anbieten müssten, bekräftigte Johna heute erneut. Diese sollten für 90 Prozent der Bevölkerung innerhalb von 20 Autominuten erreichbar sein, für alle jedoch innerhalb von 30 Minuten.

Darüber hinaus sollte es auch überregionale Versorger geben, die bis zu sieben Abteilungen anbieten. Eine weitere Stufe seien die Maximalversorger und in der vierten Ebene gebe es noch Universitätskliniken, die quasi Maximalversorger inklusive Forschung und Lehre seien.

Die regionalen Versorger sollten künftig zudem Kooperationsverträge mit Maximalversorgern oder Uniklini­ken abschließen müssen, um insbesondere telemedizinisch einfach und schnell benötigtes Know-how er­halten, so Johna.

Betriebskosten sollten künftig aus Vorhaltekosten finanziert werden

Die Vorhaltekosten sollten dann je nach Stufe des Systems genau definiert sein. Kleinere Krankenhäuser wür­de damit weniger Vorhaltekosten erhalten als Maximalversorger. Aber: Alle Kliniken müssten klar definierte Vorgaben einhalten, damit die Vorhaltekosten auch ausgezahlt werden würden, erläuterte Johna.

Zudem sollten die Betriebskosten künftig zu einem relevanten Teil, mindestens zu einem Drittel, aus den Vor­haltekosten finanziert werden, erklärte Johna weiter. Das senke insbesondere den Druck bei der Finanzierung des Personals.

Auch bezüglich der anstehenden Reform der Notfallversorgung betonte Johna die Notwendigkeit der besse­ren Zusammenarbeit des vertragsärztlichen und des stationären Bereichs. Es brauche eine gemeinsame medi­zinische Anlaufstelle im Krankenhaus. Außerdem werden digitale Vernetzungsmöglichkeiten dringend benö­tigt, so dass Patienteninformationen etwa über eine funktionierende Schnittstelle zwischen Krankenhausin­formationssystemen und Praxisverwal­tungssystemen ausgetauscht werden könnten.

Das jüngste Eckpunktepapier der Gesundheitsministerkonferenz der Länder sei in dieser Hinsicht enttäu­schend und lasse das notwendige Problembewusstsein vermissen. „Die Länder müssen sich endlich ihrer Verantwortung für die Krankenhäuser stellen“, so Johna.

Die unzureichende Bereitstellung von Investitionsmitteln, beispielsweise auch für die energetische Sanierung, wirke sich unmittelbar auf die Versorgung aus, weil Krankenhäuser notwendige Investitionen in die bauliche Infrastruktur teilweise aus den Betriebsmitteln abzweigen, die aus den Fallpauschalen stammen. „Wir erwar­ten deshalb auch, dass Bund und Länder bei der anstehenden Krankenhausreform an einem Strang ziehen“, betonte Johna.

Wichtig wäre Johna zufolge zudem der verstärkte Abbau von Bürokratiemaßnahmen, die zu viel Zeit der Ärztin­nen und Ärzte und Pflegekräfte binde. Im Durchschnitt verbringen diese täglich drei Stunden mit Büro­kratie- und Dokumentationsaufgaben. Wenn man dies um die Hälfte reduzieren könnte, könnten 32.000 Vollzeit-Ärztinnen und Ärzte für die Patientenversorgung zurückgewonnen werden, rechnete Johna vor.

In diesem Zuge erinnerte Johna auch an das im Koalitionsvertrag der Ampelregierung gegebene Versprechen. Dort heißt es: „Durch ein Bürokratieabbaupaket bauen wir Hürden für eine gute Versorgung der Patientinnen und Patienten ab.“

cmk

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung