Digitalisierung soll mehr Arztzeit bringen

Berlin – Den Wandel im Arztberuf mitgestalten und nicht nur dabei zusehen: Eine gewisse Aufbruchsstimmung bei der Digitalisierung des Arztberufes sollte eine Tagung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) heute in Berlin erreichen. Dabei betonte KBV-Vorstandsmitglied Thomas Kriedel, dass die Chancen für die Medizin und den Arztalltag und nicht die Risiken allein im Vordergrund stehen sollten.
„Und für uns stellt sich immer die Frage, wie durch die Digitalisierung mehr Arztzeit für die Versorgung von Patienten gewonnen werden kann“, so Kriedel. Am heutigen Freitag startete auch die zweite Erhebung des KBV-Digitalisierungsmonitors. Bei der ersten Erhebung erklärten die befragten Ärzte, dass sie vor allem die Sorge bei der Datensicherheit sowie die Probleme mit den Softwarelösungen aus der Industrie umtreiben.
Gute Daten sowie praxisnahe Softwarelösungen für die ambulante und stationäre Medizin sieht auch Jörg Debatin als ein Schlüssel zum Erfolg der Digitalisierung. Der Radiologe und Manager berichtete, dass in seiner Zeit als Chef des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE) vor allem Effizienzsteigerungen durch die Einführung einer elektronischen Patientenakte im Krankenhaus erreicht werden konnten. Damals sei eines der größten Probleme gewesen, dass es keine digitale Anbindung an die ambulante Versorgungsebene gegeben habe, so Debatin.
Er warb dringend dafür, dass bei den jetzt geplanten elektronischen Patientenakten der Krankenkassen die Daten interoperabel gestaltet werden, damit es zu wirklichen qualitativen Sprüngen in der Versorgung kommt. Die Daten müssen auch portabel sein, sobald ein Versicherter die Krankenkasse wechsle. Beispiele aus den USA wie bei dem Versicherer Kaisers Permanente zeigen, dass Patienten nicht so einfach ihre Daten mitnehmen könnten.
„Wir dürfen hier die freie Arztwahl auf dem Weg zur Digitalisierung nicht opfern“, so Debatin. Dennoch verändere die Digitalisierung die Arbeitsweise: Durch mehr digitale Angebote kommt nach seiner Ansicht künftig eher der Arzt zum Patienten, da er per App oder Ähnlichem näher am Patienten sein kann. Da der Patient über seine Daten verfügt, nutzt er diese auch und kümmert sich mehr darum, gesund zu bleiben. Dies helfe wiederum dem Arzt, der künftig nicht mehr reagiert, sondern eher in der Vorsorge und Prävention agiert.
Er begrüßte, dass die KBV künftig für die Interoperabililtät der Daten zuständig ist, die medizinischen Inhalte der Akten entwickelt und dementsprechend Standards setzt. „Es ist gut, dass sich die Ärzte da nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Aber wir Ärzte müssen jetzt liefern. Wenn wir das jetzt kollektiv vermasseln, dann ist diese einmalige Chance weg.“
Allerdings warnte Gerd Antes, Co-Direktor der Cochrane Deutschland Stiftung, davor, sich für den medizinischen Alltag zu viel von der Digitalisierung zu versprechen. Aus seiner Sicht könnten auch zu viele falsche Informationen die lernenden Systeme und damit die Medizin verändern. „Falsche Informationen können auch mit KI schneller wachsen“, so Antes.
Dabei sieht er besonders die Problematik, dass Maschinen die Muster und Erfahrungen, die Menschen erkennen und sammeln, nicht erlernen können. Besonders in der Kritik steht bei ihm das System Watson von IBM, das „völlig an die Wand gefahren wurde.“ Er appelliert an die Ärzte: „Sie müssen von Beginn an das Datenmanagement richtig machen. Erst hinterher damit ansetzten, das funktioniert nicht.“
Wie konkret in einer Arztpraxis digitale Abläufe die Arbeit erleichtern und damit mehr Zeit für den Patienten entstehen kann, das zeigte Irmgard Landgraf, Hausärztin in Berlin-Steglitz. Da auch Hausärzte immer größere Datenmengen ansammeln und Patienten in einem immer größer werdenden Netzwerk an mitbehandelnden Fachärzten und sozialen Unterstützungsmöglichkeiten koordinieren, helfe aus ihrer Sicht nur eine bessere digitale Unterstützung.
In ihrer Praxis laufen der Medikationsplan sowie das Impfmanagement komplett digital, bei Rückfragen von den Mitarbeiterinnen kann die Ärztin auch während der Sprechstunde per Chat erreichbar bleiben. „Unser digitales Patientenmanagement beginnt am Empfangstresen“, so Landgraf. „Mit der Delegation des Patientenmanagements habe ich als Ärztin mehr Zeit für meine Patienten.“
Das zahle sich besonders auch bei der Betreuung von Pflegeheimen aus: Auch hier gibt es digitale Patientenakten, die mit ihren Praxissystemen korrespondieren. So kann sie morgens und abends die jeweiligen Befunde sehen und ist für die wöchentliche Visite besser vorbereitet, berichtet Landgraf.
„In den Pflegeheimen, die ich betreue, hat noch keine Pflegekraft gekündigt. Durch die digitale Zusammenarbeit steigt die Arbeitsplatzzufriedenheit.“ Landgraf fordert mehr Förderung für die digitale Infrastruktur sowie bessere Softwarelösungen für Praxen. „Wir brauchen mehr Möglichkeiten, die Systeme für unseren Arbeitsablauf anzupassen.“
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