62 Organisationen fordern Aufnahme Geflüchteter in gesetzliche Krankenversicherung

Berlin – Geflüchtete sollten in Deutschland in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung miteinbezogen werden sowie ähnliche hohe Leistungen wie das Bürgergeld erhalten. Das fordern 62 Organisationen und Verbände, darunter Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwälteverbände.
Zum Start des Bürgergelds, das seit dem 1. Januar 2023 an die Stelle der bisherigen sogenannten Hartz-IV-Leistungen getreten ist, sollten auch Geflüchtete entsprechend einbezogen werden, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben.
Unterzeichnet haben unter anderem die Vereine Amnesty International, Armut und Gesundheit, Ärzte der Welt sowie auch Organisationen auf Länder- oder Kommunalebene wie medizinische Flüchtlingshilfen und Clearingstellen.
„Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll“, heißt es. Allerdings kenne die Menschenwürde nicht zweierlei Maß. „Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede“, lautet die Forderung.
Neben der Einbeziehung von Geflüchteten in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung sollte auch sichergestellt werden, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Zudem müsse ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.
Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder sollten zudem einen Anspruch auf zusätzliche Leistungen erhalten. Dies entspreche ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie.
Asylbewerber haben nur Anspruch auf eingeschränkte medizinische Leistungen
Derzeit haben Geflüchtete nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zwar Anspruch auf medizinische Leistungen. Allerdings ist dieser Anspruch auf die Akutversorgung etwa bei Schmerzen oder Notfällen beschränkt und damit deutlich eingeschränkter als die Leistungen nach dem Katalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Nach 18 Monaten Aufenthalt in Deutschland erhalten Geflüchtete eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) und haben Anspruch auf fast alle Leistungen, die auch Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Eine Ausnahme bilden die Geflüchteten aus der Ukraine: Diese haben sofort Zugang zu Leistungen der GKV und erhalten innerhalb weniger Wochen nach ihrer Ankunft in Deutschland eine eGK.
Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Das Bundesverfassungsgericht hat 2012 entschieden, dass die Höhe der Leistungen unzureichend war und dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in Deutschland aufhalten, gleichermaßen zusteht.
Allerdings kürzte die Große Koalition bestehend aus CDU/CSU und SPD die Leistungen in den Jahren 2014 bis 2019 und verlängerte die Frist von 15 auf 18 Monate, ab wann Geflüchtete Zugang zu allen GKV-Leistungen erhalten. Das Bundesverfassungsgericht entschied 2022, dass bestimmte Leistungskürzungen verfassungswidrig seien.
Ampel will Gesetz weiterentwickeln
Die aktuelle Ampelregierung will laut Koalitionsvertrag das Asylbewerberleistungsgesetz im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln. Das reiche aber nicht aus, erklärten die Menschenrechtsorganisationen. Das Gesetz müsse gänzlich abgeschafft werden, fordern die Vereine.
Die Ampel hat zudem im 2021 vereinbarten Koalitionsvertrag festgehalten: „Wir wollen den Zugang für Asylbewerberinnen und Asylbewerber zur Gesundheitsversorgung unbürokratischer gestalten. Minderjährige Kinder sind von Leistungseinschränkungen bzw. -kürzungen auszunehmen.“
Dem Statistischen Bundesamt zufolge ist 2021 die Zahl der Empfänger von Asylbewerberleistungen gegenüber dem Vorjahr um 4,3 Prozent (17.000 Personen) auf 399.000 gestiegen. Das sei der erste Anstieg der Zahl der Leistungsbeziehenden seit 2015.
Demnach waren 61 Prozent der Regelleistungsempfänger am Jahresende 2021 männlich und 39 Prozent weiblich. 34 Prozent waren minderjährig, 65 Prozent zwischen 18 und 64 Jahren alt, rund ein Prozent war 65 Jahre und älter.
Die meisten Leistungsberechtigten stammten mit 56 Prozent aus Asien, 20 Prozent kamen jeweils aus Afrika und Europa. Die drei häufigsten Herkunftsländer waren demnach Afghanistan und Irak mit jeweils 13 Prozent und Syrien mit zwölf Prozent aller Leistungsberechtigten.
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