Präventionsnetzwerk für Pädophile wird künftig von Kassen finanziert
Berlin – An der Berliner Charité startete 2005 das Projekt „Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld“. Seitdem wird dort für Pädophile die Hilfe suchen, spezifische Diagnostik und Therapie unter Schweigepflicht angeboten. Sechs Jahre später gründete sich darauf aufbauend das bundesweite Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“, das inzwischen an elf Standorten in verschiedenen Bundesländern ebensolche Hilfe anbietet. Klaus M. Beier, Sprecher des Netzwerks und Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Berliner Charité zog heute vor der Presse eine positive Bilanz.
„Erste wissenschaftliche Evaluationen des Projekts haben gezeigt, dass das Behandlungsprogramm geeignet ist, bekannte Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch zu senken und bei den Betroffenen eine erfolgreiche Verhaltenskontrolle aufzubauen“, sagte Beier. Aktuelle Nachuntersuchungen fünf Jahre nach der Therapie zeigten zudem, dass keiner der Teilnehmer einen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen begangen habe.
„Die Inanspruchnahme des therapeutischen Angebots ist weiterhin ungebrochen“, sagte Uwe Hartmann, stellvertretender Sprecher des Präventionsnetzwerks und Professor für Sexualmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover.
Die Zahlen: 7.075 Menschen aus ganz Deutschland haben sich bis Ende September 2016 Hilfe suchend an das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“ gewendet. 2.298 Personen stellten sich an einem der Standorte zur Diagnostik und Beratung vor, 1.264 von ihnen konnte ein Therapieangebot gemacht werden. Insgesamt haben seitdem 659 Teilnehmer die Therapie begonnen und 251 erfolgreich abgeschlossen. 265 befinden sich aktuell in einzel- und gruppentherapeutischer Behandlung.
Bundesjustizministerium darf nicht weiterfinanzieren
„Viele der Standorte sind prekär finanziert“, berichtete Hartmann weiter. Zudem laufe die bisherige Förderung des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) Ende des Jahres aus. „Täterhilfe ist Opferschutz – Prävention ist für uns wichtig und deshalb haben wir das Projekt seit 2008 mit 250.000 Euro, später mit rund 500.000 Euro jährlich unterstützt“, betonte Christiane Wirtz, Staatssekretärin im BMJV. Die Gelder gingen an den Standort Berlin und in die bundesweite Koordination des Netzwerks. Eine dauernde Förderung sei dem Ministerium aber aus haushaltsrechtlichen Gründen untersagt. „Die Finanzierung des Präventionsprojekts muss jetzt in das Gesundheitssystem verortet werden“, betonte Wirtz.
Diesem Anliegen gegenüber zeigte sich Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gegenüber aufschlossen. „Viele Betroffene von sexuellem Missbrauch leiden ein Leben lang unter den traumatischen Erlebnissen und sind auf medizinische und psychotherapeutische Hilfe angewiesen.“ Die Verhinderung von sexuellem Missbrauch an Kindern sei auch eine Aufgabe des Gesundheitswesens.
Änderung im PsychVVG
Mit einer Gesetzesänderung soll nun der GKV-Spitzenverband verpflichtet werden, ein entsprechendes Modellvorhaben aufzulegen und zu finanzieren, berichtete der Staatssekretär. Diese Änderung werde dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen" (PsychVVG) angehangen, das voraussichtlich im November im Bundestag beschlossen wird.
„Ich denke, dass das PsychVVG zum 1. Januar 2017 steht, so dass die weitere Finanzierung – zumindest der klinische Teil – des Präventionsnetzwerks gesichert ist“, erklärte Stroppe. Er geht von fünf Millionen Euro über einen Förderzeitraum von fünf Jahren aus, die von den Krankenkassen finanziert werden. „Keine Lösung haben wir indes für die Finanzierung der Öffentlichkeitsarbeit für das Präventionsnetzwerk“, sagte Hartmann. Die sei jedoch besonders wichtig, um Menschen mit pädophilen Neigungen überhaupt zu erreichen.
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