Medizinische Fachangestellte protestieren für mehr Wertschätzung

Berlin – Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) haben ihrem Ärger um zu wenig Beachtung in der Coronakrise Luft gemacht. Sie protestierten gestern vorm Brandenburger Tor in Berlin und zogen dann weiter bis vor das Bundesministerium für Gesundheit (BMG).
Insbesondere in der ersten Stunde waren nach Angaben des Verbands medizinischer Fachberufe mehr als 30 Medizinische Fachangestellte vor Ort. Mit dabei gewesen sind auch Auszubildende und komplette Praxisteams.
Der Verband zeigte sich auf Nachfrage des Deutschen Ärzeblattes sehr zufrieden mit der Aktion. „Unsere Erwartung wurde für eine erste Veranstaltung, die wir kurzfristig geplant haben, sogar übertroffen“, sagte Hannelore König, Präsidentin des Verbands medizinischer Fachberufe. Ihr sei klar gewesen, dass es schwierig werde, die MFA aus den Berliner Arztpraxen zum Brandenburger Tor zu locken.
Denn diese seien in den Praxen aufgrund der aktuellen Infektionslage, der Coronaimpfungen und der normalen ambulanten Versorgung „unentbehrlich“. „Bei unserer Aktion vor einem Jahr am 8. Dezember 2021 am Bundesgesundheitsministerium zur Belastung der Medizinischen Fachangestellten in der 2. Welle lag die Beteiligung unter einem Dutzend“, so König. Die vervierfachten Zahlen zeigten klar, dass sich die Situation weiter verschärft habe und die MFA jetzt auch bereit seien auf die Straße zu geben.
Zur Ankündigung der Protestaktion vor zwei Tagen hatte König betont, es sei „nicht 5 vor 12, sondern bereits Viertel nach 12“. Die MFA arbeiteten ebenso wie die Pflegekräfte in den Kliniken seit „Monaten am Limit“ und würden von den Verantwortlichen in der Politik und in den Medien „nicht gesehen“.
Der Verband hatte vorgestern auch an die Abgeordnete des Bundestags appelliert, bei der Protestaktion zum Austausch zu erscheinen. Sie könnten damit „ein Zeichen der Wertschätzung“ setzen, hieß es. Vor Ort haben sich dann auch Abgeordnete der Oppositionsparteien sehen lassen, die sich nach Worten von König „ausgesprochen offen der Diskussion“ gestellt haben.
„Mit Katrin Vogler und Ates Gürpinar aus der Fraktion Die Linke waren Mitglieder aus dem neu konstituierten Gesundheitsausschuss dabei, die sich viel Zeit für die Anliegen unserer Berufsangehörigen genommen haben“, sagte König.
Emmi Zeulner von der CDU/CSU-Fraktion, die Mitglied im alten und neuen Gesundheitsausschuss sei und den Verband seit mehr als einem Jahr beim Thema Coronasonderbonus für Medizinische Fachangestellte unterstützte, sei in Begleitung der Abgeordneten Ralph Edelhäußer und Sepp Müller bei der Protestaktion gewesen.
„Alle Abgeordneten haben sich viel Zeit für die Gespräche mit den Medizinischen Fachangestellten genommen. Sie haben ihnen für ihr Engagement in der Pandemie gedankt und gezeigt, dass sie die Belastungen und Leistungen sehen. Sie wollen sich für die Verbesserung der Situation einsetzen“, erklärte König.
Aus der Politik meldete sich auch Bayerns Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek zu Wort. Er betonte anlässlich eines virtuellen Gesprächs mit dem Verband der medizinischen Fachberufe, dass die MFA „leider zu wenig Wertschätzung“ erfahren würden. Die Leistung müsse „nun auch endlich finanziell anerkennt werden“. „Deshalb fordert Bayern den Bund auf, dieser Berufsgruppe einen Coronasonderbonus zu zahlen“, so Holetschek.
Die baden-württembergische Landesregierung pocht ebenfalls darauf, MFA eine Prämie zu zahlen. Das schreiben Finanzminister Danyal Bayaz und Gesundheitsminister Manne Lucha (beide Grüne) an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Die Impfungen und die ambulante Behandlung von Coronapatienten in den Praxen wären ohne die engagierte Tätigkeit der Medizinischen Fachangestellten nicht zu bewältigen, schreiben die beiden Minister aus dem Südwesten.
König zieht auch in Bezug auf die Resonanz aus der Politik ein positives Fazit. „Es ist uns bewusst, dass wir noch viele weitere Gespräche führen müssen. Aber es ist uns gelungen unseren Kolleginnen und Kollegen persönliche Gespräche mit Bundestagsabgeordneten zu ermöglichen“, erklärte sie. Das seien Zeichen der Wertschätzung, denn viele der anwesenden MFA hätten in der Vergangenheit bereits Briefe geschrieben und leider keine Antworten erhalten.
Persönliche Briefe für Lauterbach
Eine kleine Abordnung hat gestern mehr als 100 persönliche Briefe von MFA aus dem gesamten Bundesgebiet zusammen mit den Forderungen des Verbandes für Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) beim Ministerium abgegeben.
Zu den Forderungen des Verbandes gehört etwa ein Coronasonderbonus – analog den Pflegekräften in den Krankenhäusern – aus staatlichen Mitteln. Der ist von der Politik bisher nicht für MFA vorgesehen. Die Ärzte hatten sich wiederholt für einen Bonus ihrer MFA stark gemacht.
Darüber hinaus setzt sich der Verband für eine größere Tarifverbindlichkeit und eine zeitnahe Gegenfinanzierung der Tarifsteigerungen ein, damit Arztpraxen im Wettbewerb um die MFA konkurrenzfähig bleiben.
In den persönlichen Briefen schilderten die MFA zum Teil sehr ausführlich ihre Belastung in der Pandemie, erläuterte König. Sie hätten die „gravierenden Auswirkungen der Kommunikation der Politiker auf ihren Praxisalltag beschrieben“.
Themen waren zum Beispiel verlässliche Impfstofflieferungen und eindeutige Aussagen zu Coronaimpfungen, die wissenschaftlich basiert erfolgen sollten, aber auch die große Enttäuschung über die fehlende Wertschätzung und Anerkennung ihrer Leistungen.
„Sie wollen, dass ihre Leistungen endlich gesehen werden und fordern einen Coronasonderbonus“, sagte König. Besonders bewegt hätten sie die persönlichen Schilderungen zur Überlastung und wie weit die Medizinischen Fachangestellten über ihre eigenen Grenzen gingen und trotzdem jeden Tag auf Neue wieder funktionierten. „Ich frage mich was passiert, wenn die Medizinischen Fachangestellten wegen Überlastung ausfallen.“
Ärzte stützen MFA
Unterstützung für die MFA kam gestern auch wieder von den Ärzten. Sie riefen den Gesetzgeber erneut dazu auf, auch für die MFA eine Coronaprämie zu bezahlen. Es sei „richtig und angemessen“, MFA den Beschäftigten in Krankenhäusern gleichzustellen und ihnen für ihr Engagement in der Coronakrise eine steuerfinanzierte Coronaprämie in vergleichbarer Höhe zu zahlen, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, anlässlich der Protestaktion.
Reinhardt wies darauf hin, dass viele Patienten verunsichert seien und das persönliche Gespräch mit dem Praxismitarbeiterinnen und -mitarbeitern suchten. Aufgrund der Nähe zu den Patienten sei das Infektionsrisiko nicht nur für Ärzte, sondern auch für Medizinische Fachangestellte hoch. Der 125. Deutsche Ärztetag hatte im November bereits eine finanzielle Würdigung der besonderen Leistungen von MFA in der Pandemie gefordert.
Notwendig ist aus Sicht der Bundesärztekammer zudem die Novellierung der gesetzlichen Vorgaben zur jährlichen Anpassung des Orientierungswertes, damit Tarifsteigerungen des Praxispersonals bei den Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen einbezogen werden können.
Dem schloss sich die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin an. „Wir wissen um die enorme Belastung in den Praxen und vor allem der Medizinischen Fachangestellten“, hieß es seitens des Vorstands der KV Berlin. Die Mitarbeitenden hätten einen großen Anteil daran, dass die Pandemie in der ambulanten Versorgung so gut bewältigt werde und bereits Millionen von Impfungen durchgeführt werden konnten.
Wichtig seien Anerkennung und Wertschätzung, aber nicht nur durch lobende Worte, sondern in Form von monetären Boni. Dazu gehöre eine Coronasonderprämie für alle Medizinischen Fachangestellten, die ebenso wie bei den Pflegekräften in den Krankenhäusern aus staatlichen Mitteln gezahlt werden sollte.
Die Allianz Deutscher Ärzteverbände forderte ebenfalls mehr Wertschätzung der Leistungen von MFA seitens der Bundesregierung. Man spreche eine „ausdrückliche Unterstützung“ für die Protestaktion aus, hieß es heute.
„Was unsere MFA während dieser Pandemie geleistet haben und immer noch leisten, muss von der Bundesregierung entsprechend honoriert werden“, sagte Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) und Sprecher der Allianz Deutscher Ärzteverbände.
Was für Pflegekräfte gelten solle, müsse auch für medizinische Fachangestellte gelten. Auch die MFA verdienten einen Coronabonus. Ohne sie wären eine Bewältigung dieser Pandemie und die hohe Schlagzahl beim Impfen nicht zu stemmen.
Der Freie Verband Deutscher Zahnärzte (FVDZ) betonte heute, man dürfe auch die Zahnmedizinischen Fachangestellten nicht vergessen, die unter den schwierigen Bedingungen und unter erhöhtem Risiko in der Pandemie den Laden am Laufen gehalten hätten.
„Zahnmedizinische Teams leisten täglich einen essenziellen Beitrag zur Gesundheit und zur Lebensqualität der Bevölkerung“, hatte FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader bereits am 18. November deutlich gemacht. Die Tragweite dieser Leistung werde aber nach wie vor oft übersehen – auch von der Politik.
König zeigte sich über die Unterstützung der Ärzteverbände erfreut. Diese sei „ein starkes Signal der Wertschätzung“. Auch inhaltlich zeigten die Aussagen zu den Belastungen und den Leistungen ihrer Medizinischen Fachangestellten, dass man „auf eine breite Allianz setzen“ könne.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: