Politik

BVA mahnt Ärzte: Extravergütung für Codierleistung sind verboten

  • Dienstag, 13. Juni 2017
/takasu, stock.adobe.com
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Bonn – Krankenkassen dürfen Ärzte nicht zusätzlich zur normalen Vergütung finan­zielle Anreize bieten. Dies läuft dem Willen des Gesetzgebers zuwider. Das hat das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsicht der bundesunmittelbaren Krankenkassen und verantwortliche Oberberhörde des Risikostrukturausgleichs (RSA) in einem Brief an alle Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und die Kassenärztliche Bundesvereini­gung (KBV) unmissverständlich klargestellt.

Hintergrund ist ein anhaltender Streit um den RSA. Zuletzt standen die Krankenkassen in der Kritik, unter anderem über Betreuungsstrukturverträge mit den KVen, Ärzte dazu zu bewegen, so zu codieren, dass die Krankenkassen möglichst viel Geld aus dem RSA erhalten. Der Gesetzgeber hatte daraufhin im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) Regelungen geschaffen, die Manipulationsmöglichkeiten im RSA zu reduzieren.

BVA-Chef Frank Plate scheint aber nicht überzeugt, dass Krankenkassen und KVen die Gesetzesänderung gebührend zur Kenntnis genommen haben. Anfang Mai richtete er sich an die Kassen-Chefs mit einem Appell. „Jede Krankenkasse ist mitverantwortlich für das Erscheinungsbild der GKV und für das Vertrauen der Versicherten in das Versor­gungssystem. Ich erwarte von den Krankenkassen, dass sie sich dieser besonderen Verantwortung bewusst sind und der rechtskonformen Erhebung und Meldung der für den Risikostrukturausgleich (RSA) maßgeblichen Daten die größtmögliche Bedeutung beimessen“, mahnte er in einem Brief an die Kassen.

Ärztliches Handeln am Wohl der Patienten ausrichten

Nun hat sich Plate auch an die Vertragspartner der Krankenkassen – die KVen – gewendet. In dem Brief weist er mit Nachdruck auf die aktuelle Gesetzeslage hin. Der Gesetzgeber stelle in seiner Begründung zum HHVG klar, dass ein „vertragsärztliches Fehlverhalten“ gegeben sei, wenn Vertragsärzte allein für die Vergabe und Dokumen­tation von Diagnosen eine zusätzliche Vergütung (ergänzend zur regulären Vergü­tung) oder sonstige wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren lassen oder selbst versprechen oder gewähren, schreibt Plate. Das ärztliche Handeln sei am Wohl der Patienten auszurichten. Insbesondere dürften Ärzte keine eigenen wirtschaftlichen Interessen oder das Interesse Dritter über dieses Wohl stellen. Zusätzliche Vergütungen für Diagnosen seien „ausgeschlossen und laufen dem Willen des Gesetzgebers zuwider“.

54 Verträge der Krankenkassen auffällig

Dem BVA zufolge hat die Behörde bereits flä­chendeckend entsprechende Verein­barungen geprüft. Verträge, die Vergütungen allein für die Vergabe von Diagnose­schlüsseln vorsehen und diesen eine konkrete ärztliche Leistung nicht gegenübersteht, seien „aufgegriffen worden“, heißt es. BVA-Sprecher Tobias Schmidt erklärte auf Anfrage des Deutschen Ärzteblattes, die betroffenen Krankenkassen seien in einem ersten Schritt aufgefordert worden, rechtswidrige Passagen in den Verträgen anzupassen oder die Verträge zu kündigen. 54 Verträge der Krankenkassen waren laut BVA auffällig.

Ein Großteil der Krankenkassen habe bereits eine zeitnahe Vertragsanpassung oder -umgestaltung zugesichert, erklärte Schmidt. Allerdings seien dem BVA bis dato noch keine angepassten Betreuungsstrukturverträge zur Prüfung vorgelegt worden. „In einigen Fällen haben Krankenkassen die Kündigung der Verträge zugesagt“, sagte der Sprecher der Behörde. Sofern die Krankenkassen eine rechtskonforme Vertrags­anpassung nicht leisten könnten oder wollten, will das BVA gegebenenfalls mit formellen Aufsichtsmittel eine zeitnahe Kündigung der Verträge bei den Kranken­kassen einfordern, erklärte er weiter.

Kassen dürfen Ärzte nur in gesetzlich geregelten Fällen beraten

Solche deutlichen Worte finden sich nicht in dem Brief des BVA an die KVen. Eine unterschwellige Mahnung, ist aber auch darin nicht zu überhören. „Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass Krankenkassen nur in den gesetzlich geregelten Fällen Vertragsärzte beraten dürfen“, wendet sich Plate direkt an die KV-Vorstände. Es gehört nicht zu den gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben der Krankenkassen, Vertragsärzte im Hinblick auf Vergabe und Doku­mentation der Diagnosen zu beraten. Unzulässig sei auch eine beratende Beeinflussung des Kodierverhaltens über den Einsatz von Praxissoftware.

Plate räumte zwar ein, Kassen dürften in erforderlichen Fällen über Fragen der Wirtschaftlichkeit beraten. „Diese Beratung darf sich jedoch nicht auf den Einzelfall der Vergabe von Diagnosen beziehen. In sol­chen Fällen sieht der Gesetzgeber die Gefahr einer Beeinflussung der Kodierung und damit des RSA“, erläuterte der BVA-Chef. Er ergänzte, dass auch für die Abrechnung der ambulanten ärztlichen Leistungen eine erneute Übermittlung von Diagnosedaten in korrigierter oder ergänzter Form lediglich in berechtigten Ausnahmefällen bei technischen Übermittlungs- oder formalen Datenfehlern zulässig ist.

Wie das BVA auf Anfrage mitteilte, ist der Deutsche Hausärzteverband bisher nicht wegen möglicher Zusatzvergütungen für Codierungen in Verträgen angeschrieben worden. Dies sei seines Wissens nach auch nicht geplant, sagte BVA-Sprecher Schmidt.

Mit den Landesaufsichtsbehörden, die für die AOKen zuständig sind, hat das BVA heute ein Gespräch geführt. Ziel sei es, die bisherigen Erfahrungen auszutauschen und weiterhin ein bundesweit einheitliches Vorgehen der Aufsichtsbehörden zu beschließen, kündigte die Behörde an. Über Ergebnisse der Arbeitsgruppensitzung konnte das BVA nach Angaben eines Sprechers heute keine Auskunft geben.

may

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